Die eingeborene Tochter
die Tür zu. Julie und Roger sprangen gemeinsam. Wie ein Paar überzüchteter Hunde, dachte sie, zwei ausgelassene Jungfrauen.
Der Motor des Winnebago sprang an. »Hey, was macht ihr denn?« rief Julie.
»Was ist los?« schrie Roger.
Phoebes Stimme zackte aus dem Schlafzimmerlautsprecher. »Hier spricht Ihr Captain.« Der Bus klapperte und schwankte. »Nächster Halt – einsame und romantische Gegend auf Dune Island.«
Roger hielt die Drinks fest. »Tu mir einen Gefallen, Phoebe.« Immer so höflich. »Mach langsam!«
»Tu ihr auch einen Gefallen, Roger!« Phoebes Antwort aus dem Verstärker: »Mach langsam!«
»Paßt mir gar nicht, daß du fährst!« rief Julie.
»Soll ich dir lieber helfen, Roger zu schänden?«
Julie war nicht sicher, wieviel von ihrem Schwindelgefühl auf den schaukelnden Winnebago ging, und wieviel auf den Black Russian. Sie holte tief Luft, nippte an ihrem Drink. Schlafzimmer mit Pornotür. Gut, gut. Das Bett ragte aus der Wand heraus, mit weißen Laken bezogen, straff gespannt wie ein Trommelfell. Soweit, so gut. Aber wollte sie wirklich Roger stoßend und stechend in sich drin haben, würde sie mit ihrem dicken Körper das überhaupt bringen? Er wartete nicht bis Dune Island. Wie ein Soldat unter MG-Feuer sprang er geduckt auf die Matratze, zog sie an sich. Seine Finger waren plötzlich überall, streichelten ihre Bluse, zerrten an ihren Jeans.
Julie drehte sich weg.
»Grundregel. Wir brauchen…«
»Wir nehmen das da…« Roger zog ein Kondom aus der Cordhose, zeigte es vor wie einen Presseausweis. »Ist doch in Ordnung…?«
»Ich dachte an unsere Beziehung.« Klar, sie wollte ihre Neugier befriedigen und Gott provozieren. Aber diese Nacht sollte auch noch ›kosmisch‹ sein, wie Tante Georgina sich ausdrückte. »Liebst du mich, Roger?«
»Natürlich.«
»Wirklich?«
»Echt wahr, ich liebe dich, Julie. Es stört mich überhaupt nicht, daß du Jüdin bist.«
»Sag das noch mal.«
»Daß ich dich liebe?«
»Yeah.«
»Ich liebe dich.«
Gut. Sie würden also nicht nur das jeweilige Verlangen nach Trotz und Ejakulation befriedigen. Das hier war hingebungsvolle, ekstatische Anbetung. »Achtung, meine Damen und Herren«, knisterte Pheobes Stimme aus dem Lautsprecher, »legen sie die Sicherheitsgurte ab… und auch sonst alles, was sie in die Finger kriegen.«
Julie half ihm dabei, Bluse und Büstenhalter auszuziehen. Sie fühlte sich hochgemut. Wie würde es sein? Wundervoll und berauschend? Was tat sie hier? »Ich will bis zu den Sternen«, hatte sie Phoebe am Nachmittag gesagt.
»Beim erstenmal«, hatte Phoebe erwidert, »kommst du über den Asteroidengürtel nicht raus.« Sie spürte das Schlingern des Winnebago im ganzen Körper. Die Jeans verschwanden, die Schlupfschuhe. Nur noch ihre Höschen standen einer Beleidigung Gottes im Wege. Wir haben dieses groteske Zeug nicht erfunden, dachte sie und machte die Knöpfe an Rogers Cordhose auf. Sie waren beide unschuldig. Alle Menschen waren unschuldig. Das Universum wird beherrscht von unschuldigen Trieben und moralisch indifferenten hydraulischen Kräften.
»Scheiße!«
Phoebe.
Der Winnebago bekam plötzlich Schlagseite wie ein Schiff im Taifun, sie flogen von der Matratze.
»Scheiße!!«
Lucius.
Ein Rest Black Russian schwappte auf den Teppich, die Eiswürfel rollten davon. Die Tür sprang auf, Phoebe stürzte herein. Ihre Hand umklammerte den Türgriff, das dunkle Gesicht zur Farbe von Tabak gebleicht. »Hilfe!«
»Raus hier!« knurrte Julie.
»Fährst du nicht?« fragte Roger.
»Ein Notfall!« kreischte sie. »O mein Gott, es tut mir so leid!«
Julie strampelte sich aus dem Arm- und Beingewirr heraus, zog Bluse und Jeans an und folgte Phoebe. Fester Schlamm. Auf der Windschutzscheibe, auf den Seitenfenstern: überall Schlamm. Ein Würmeruniversum.
»Sie ist von der Scheißbrücke runtergefahren!« Lucius stand auf dem Beifahrersitz, Handflächen an der Decke. Er suchte nach Lecks. »Ich kann’s nicht glauben!« Tränen glitzerten auf den Gesichtspickeln. »Phoebe ist so ein Arschloch!«
Wieder neigte sich der Winnebago, warf alle drei an die Beifahrertür. Schlamm tropfte aus den Lüftungsklappen. Lebendig begraben. Sinkend. In der Vorwoche waren fünfundzwanzigtausend Kolumbianer in einer Schlammflut gestorben, Kinder waren erstickt, Erwachsene, Gerechte wie Ungerechte, von der unparteiischen Erde erwürgt. Aber das war nur eine Meldung, ein Zeitungsausschnitt für Julies Tempel.
»Was ist das hier für
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