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Die eingeborene Tochter

Die eingeborene Tochter

Titel: Die eingeborene Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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erotischen Reiz aus Todesnähe und Offenbarung. Und Roger, der sprachlos auf einem Barhocker saß, spürte er die Erregung? Sie kletterte aus dem Fahrersitz und tauchte richtig in ihn ein, zwängte sich zwischen seine Schenkel. Sie war erwünscht, prächtige Gottheit, in der Hut ihrer Mutter!
    Roger schob sie weg.
    »Huh?«
    »Gottes Tochter«, sagte er. Schweiß auf dem wunderschönen Jesusgesicht. »Hat Phoebe gesagt…«
    »Ich dachte, du willst…«
    »Mit Gottes Tochter kann ich das nicht machen!«
    Und plötzlich roch sie es. Den scharfen, beißenden Geruch göttlicher Verehrung. Der Abend war zu Ende. Wunderbar. Schön. Sie konnte ihre Jungfräulichkeit auch ein andermal loswerden – aber in dieser Nacht hatte Gott sie berührt!
    Sie stolperte in die Schlafkabine, schnappte sich Büstenhalter und Schuhe; dann ging sie zurück in die Weihrauchatmosphäre.
    »Ich hab immer geglaubt, die Kirche wird mich zurückholen«, schnaufte Roger mit tränenbedecktem Gesicht. »Aber nie auf die Weise, o nein, nie auf diese Weise…!«
    Die Ehrfurcht, die er verströmte, kam ihr wie ein Haufen Schlangen vor, die über ihren Körper krochen, sie aus dem Bus trieben. »Eine erstaunliche alte Dame, die Kirche, einfach erstaunlich…«
    Sie öffnete die Seitentür, sprang auf den Strand hinaus und zog sich fertig an. Mondlose, kühle Nacht. Baumfrösche lärmten wie tausend Vorschulkinder, die alle gleichzeitig ihre Fahrradglocken ausprobieren. Voll Freude rannte sie ans Wasser. Das Ufer schäumend von Gischt und dem Samen der Königskrabben.
    »Hallo, Kind!«
    »Huh?«
    »Ich sagte: ›Hallo‹.«
    Der süße, runde Duft frischer Orangen – und wieder war sie zehn und lief im Deauville-Hotel einem übernatürlichen Fremden in die Arme.
    »Mr. Wyvern, wissen Sie, was grad passiert ist? Es war wunderbar! Gott hat mich gerettet!«
    Der beste Freund ihrer Mutter trat hinter den zitternden Zweigen eines Strauchs hervor. Im Schein der Kerosinlaterne, die er hochhielt, konnte man einen düster vor sich hinbrütenden Schoner nahe Dune Island vor Anker liegen sehen. »Ah, du erinnerst dich an mich!« Seltsam abgehackte Sprechweise. »Gut.« Um seine abfallenden Schultern hing eine Mönchskutte. Im Licht der Laterne schienen seine Augen blutrot, der Bart wie mit Gold übergossen. »Gott?« Er schnaufte wie eine asthmatische Sau. »Sagtest du ›Gott‹? Da muß ich dich enttäuschen, Julie, aber Gott hatte damit nichts zu tun. Ich hab dich gerettet.«
    »Sie?« Julie fühlte, wie ihr Mund trocken wurde, Schwäche in den Knien. Die Eingeweide krampften sich zusammen. »Nein, Gott hat mich gerettet. Meine Mutter!«
    »Das war ich. Tut mir leid.«
    »Nein!« Sie brach ganz plötzlich zusammen. Zuerst stand sie noch, einen Augenblick später lag sie schon ausgestreckt im Sand und weinte so laut, als habe Pop sie eben wegen der Krabbenwiederbelebung verdroschen. »Neiiiin!!«
    »Ich konnte dich nicht gut deine schönsten Jahre auf dem Grund einer Salzmarsch mit Warten auf Du-weißt-schon-wen verbringen lassen. Schierer Wahnsinn, das.«
    »Du lügst! Es war Gott!«
    »Nein.«
    Wyvern nahm ihre Hand, half ihr auf und führte sie zu einem Haufen Seegras. Er trocknete eine Träne an ihrer Wange. Julie trampelte auf den Boden herum, als sei der ganze Planet ein ekelhafter Käfer, stomp – quish. Es war wahr, kein Zweifel, und zweifellos war sie dem Teufel auch wichtiger als der eigenen Mutter. »Sie sind doch der Teufel, oder?«
    Wyvern verbeugte sich schnell. »Dank meiner Bemühungen wird Atlantic City ins ewige Dunkel rasen.«
    »Sie sagten doch, Sie sind ein Freund meiner Mutter.«
    »›Nun aber kam der Tag, da die Söhne Gottes vor den Herrn kamen‹«, zitierte er, »›und Satan war auch unter ihnen.‹ Bessere Zeiten waren das, Julie. Das ist vorbei.«
    Geräuschvoll zog sie Schleim hoch. »Ob ich gut bin, ob ich böse bin – nichts interessiert sie. Was soll ich denn tun? Eine Ziege opfern?«
    »Vielleicht solltest du eine Religion gründen. Du weißt schon – deine Mutter der ganzen Welt offenbaren.«
    »Wie kann ich sie der Welt offenbaren, wenn ich nicht einmal weiß, wie sie überhaupt ist?«
    »Streng deine Phantasie an! Alle anderen tun das auch.«
    Julie schlüpfte aus den Schuhen und kippte den Sand raus. »Seien Sie ehrlich, Mr. Wyvern – zu Ihnen spricht Gott auch nicht. Diesen Timothy zu heilen, das war doch Ihre Idee!«
    »Wahr, wahr«, gestand der Teufel.
    »Sie sind ein… Schwindler.«
    »Man hat mich schon

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