Die Eingeschworenen Raubzug
derselben Gegend sind und man vom Haus des einen zu dem des anderen spucken kann.«
»Was willst du damit sagen?«, fragte ich.
»Gudleifs Söhne sind hier«, erwiderte er und ging weg, um sein Trinkhorn wieder zu füllen.
Diese Nachricht traf mich wie ein Hammerschlag. Völlig benommen und ungläubig schüttelte ich den Kopf. Vor weniger als einem halben Jahr hatte ich in der Welt nicht einen Feind, und jetzt standen sie Schlange, um mich mit dem Schwert umzubringen.
Gudleifs Söhne. Wie war Martin an die geraten? Vielleicht in dem Fischerdorf? Vielleicht hatte er es zu Fuß erreicht und hatte dort das Schiff angetroffen, das Gudleifs rachedurstige Söhne an Bord hatte. Oder vielleicht war er auf dem anderen Langschiff gewesen, auf dem Starkads
Leiche war, und hatte unterwegs das Schiff mit Gudleifs Söhnen an Bord getroffen.
Wie auch immer. Das Wyrd wollte es, dass Björn und Steinkel, die beiden leiblichen Söhne meines Pflegevaters, die nicht älter waren als ich, aber die ich nie gesehen hatte, ausgezogen waren, um den Blutpreis für die Ermordung ihres Vaters zu fordern. Und nicht nur von mir, wie mir einfiel.
»Wer ist Gudleif?«, fragte Hild.
»Ein Toter, der nicht in Frieden ruhen kann«, sagte ich, und sie hob erschrocken den Kopf und krallte die Finger fester um ihren Talisman.
Ich bahnte mir einen Weg durch die dichte Menge, die johlend den kämpfenden Pferden zusah, und suchte meinen Vater. Ich fand ihn, gerade als der Graue auf den Hinterbeinen strauchelte, die Zähne des Schwarzen im Hals. Laut wiehernd warf der Schwarze ihn zu Boden und verwandelte ihn mit seinen Hufen zu einem blutigen Kadaver, während die Menge vor Begeisterung brüllte.
»Orm, Orm! Du hast recht gehabt! Wir haben ein Vermögen gewonnen«, schrie mein Vater schon von Weitem. »Wie hast du das bloß gewusst?«
Mir war nicht nach belanglosem Geplauder zumute. Aber die Umstehenden sahen mich erwartungsvoll an und mein Vater wollte sich im Ruhm seines klugen Sohnes sonnen und bestand auf einer Antwort.
»Weiße Socken«, sagte ich daher. »Der Graue hatte an den hinteren Fesseln weiße Socken. Wo mal eine Verletzung war und die Knochen schwach sind, da wächst das Haar weiß nach … seine Fußgelenke haben ihn im Stich gelassen, weil sie schwach waren. Und ein Kampfhengst,
der nicht lange auf den Hinterbeinen stehen kann, hält nicht durch.«
Mein Vater strahlte, die anderen nickten beeindruckt. Ich nahm ihn beim Arm und zog ihn zur Seite. Er folgte bereitwillig, denn er hatte gemerkt, dass etwas vorgefallen war.
»Wir sind überfallen worden«, sagte ich und er riss die Augen auf und sah mich an, wobei er die fehlenden Ringe an meinem Kettenhemd bemerkte.
»Ich bin unverletzt. Gunnar Raudi hat eine Platzwunde am Kopf, weil er einem von ihnen den Eingeschworenen-Kuss gegeben hat.«
»Verflucht! Wie viele? Wo sind sie jetzt? Einar muss es wissen … Er wird nicht wollen, dass uns dieser Tag versaut wird.«
»Er weiß es bereits«, sagte ich. Ich erzählte ihm von dem Verdacht, den Gunnar und ich hatten.
Er ließ den Kopf hängen. Seine Freude über diesen Tag war wie weggeblasen. »Bei Odins Arsch«, sagte er schließlich und schüttelte müde den Kopf. »Vigfus, Starkad und jetzt meine Neffen … ich werde langsam zu alt für diese Sachen, Orm.«
»Ich auch«, sagte ich mit Überzeugung und er musste lachen. Dann richtete er sich auf und nickte.
»Gut. Du hast recht. Scheiß auf Gudleif und auf seine Söhne. Und wenn Einar die Sache heute durchzieht, dann kann uns keiner mehr was anhaben.«
Ich runzelte die Stirn, aber mein Vater legte nur einen Finger an die Nase und kniff ein Auge zu.
In diesem Moment wurde es still in der Menge, denn Illugi Godi trat vor, stieß mit dem Stab auf den Boden und sprach die Worte der Weihe.
Es klappte bestens. Das Siegerpferd, das völlig erschöpft und schweißnass war, wurde fachmännisch getötet und das Blut strömte aus seiner Kehle über den Steinaltar. Daneben wurde der abgetrennte Kopf auf einem Pfahl aufgestellt, während der Rest des Pferdes fortgeschleppt wurde, zum Schlachter, der es zerlegen würde. Später würde man das Herz auf den Altar legen und Illugi würde abwarten, welcher Vogel zuerst käme.
Dann traten die Eingeschworenen vor, einer nach dem anderen, und sowohl die alten als auch die neuen legten im Angesicht Odins den Eid auf Blut und Stahl ab.
Als ich an der Reihe war, schien es mir für einen Moment, als ob auf der anderen Seite des großen Steins,
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