Die Eingeschworenen Raubzug
Natürlich war Illugi Godi darüber empört.
»Seht euch das an«, schimpfte er, als die reich gewandeten Priester über die Holzstege schritten, wobei sie ihre Räucherfässer schwangen und Gebete leierten. »Als ob es nicht reicht, dass sie die wahren Götter zu erbärmlichen Banditen erklären, jetzt müssen sie auch noch unser Fest für ihren Gott missbrauchen.« Deutlich hörbar zog er den Rotz hoch und spuckte aus. Der ihm am nächsten stehende Priester drehte sich mit bebendem Bart um und warf einen finsteren Blick auf Illugi mit seinem Stab.
»Scheißkerle«, knurrte Illugi. »Sie nennen es Ostern, als ob wir nicht wüssten, dass sie es bei uns geklaut haben.«
»Vielleicht hatten sie ja auch schon so ein Fest«, wandte mein Vater ein und kratzte sich am Kopf, wie er es immer tat, wenn er unsicher war.
»Ha! Und auch einen Gott, der an einem Baum hing und mit einer Lanze erstochen wurde?«, wandte Illugi ein und stampfte mit seinem Stab auf den Holzsteg.
Mein Vater sah mich an, zuckte mit den Schultern und gab es auf. Ich grinste. Schließlich war es die Feier meines Geburtstages. Zwar wusste keiner von uns ganz genau den Tag, weil mein Vater damals betrunken gewesen war, wie er zugab. Also hatte ich den Tag meiner Geburt immer am Tag der Göttin Ostara gefeiert.
Und an diesem Tag war ich nun sechzehn Jahre alt und ein Mann.
Nicht dass das Einar beeindruckt hätte, denn später, als alle sich Fleisch und Met schmecken ließen, musste ich wie üblich Hild beschützen, hellwach und stocknüchtern.
Valknut, der schon ziemlich betrunken war, hantierte mit einem Feuerstab, der einem Gaukler, einem Feuertänzer, gehörte. Er war so lang wie ein Speer und brannte an beiden Enden, und es war unter normalen Bedingungen schon schwer genug, mit ihm Kunststücke zu vollführen, aber der hagere Feuertänzer ließ ihn geschickt um seinen Körper kreisen. Im Gegensatz zu Valknut, der dabei zweimal sein Haar in Brand setzte, beim zweiten Mal musste Gunnar Raudi so lachen, dass er ihm beim Löschen keine große Hilfe mehr war. Schließlich goss er Valknut den Inhalt seines Trinkhorns über den Kopf, aber der hatte noch lange eine merkwürdig einseitige Frisur und roch wie ein abgesengter Hahn.
Mürrisch hatte ich Hild überredet, dass wir uns wenigstens den Kampf der Hengste ansehen sollten. Es waren schöne Tiere, gut ausgewählt, einer schwarz, der andere grau, und obgleich ich bei der Auswahl nicht beteiligt war, war ich von ihrer Qualität begeistert.
Es wurde leidenschaftlich und lautstark gewettet, und während ich zusah, kamen etwa ein halbes Dutzend Männer zu mir herüber, angeführt von Valgard und meinem Vater.
»Orm, Junge, dich suchen wir«, brüllte der Scherer. »Dein Vater sagt, du kennst dich mit Kampfhengsten aus. Welcher wird gewinnen?«
»Wir teilen den Gewinn mit dir, Bärentöter«, sagte einer der Männer und ich sah ihn kurz an. Er war einer von den Neuen, noch jung, aber älter als ich und mit einer blassen weißen Narbe neben dem rechten Auge, die in seinem roten, wettergegerbten Gesicht auffiel. Ich hatte noch nie mit ihm gesprochen, und wenn, dann hätte ich mit ihm wie mit einem Älteren gesprochen. Aber nun
stand er hier und nannte mich respektvoll »Bärentöter«, und an der Art, wie er es tat, merkte ich, dass er die Geschichte gehört hatte – vielleicht in Geirs Versen – und dass er offensichtlich beeindruckt war.
Und doch, obwohl mir bewusst wurde, dass ich inzwischen auf diesen Titel stolz war, musste ich an Ulf-Agar denken, den Mann, der mehr vom Leben erwartet hatte, als es ihm bieten konnte. Im Geist sah ich wieder seinen wutverzerrten Mund und seine neiderfüllten gelben Augen.
Wie immer missverstand mein Vater die Denkpause als Ablehnung und schlug mir leicht auf die Schulter. »Komm, Orm, tu’s für mich, Junge.«
»Der Graue nicht«, sagte ich. »Der ist nicht stark genug. «
Mein Vater kniff verschwörerisch ein Auge zu, dann drehte er sich zu den anderen um und hob triumphierend die Hände. »Mein Sohn hat gesprochen, an dem Tag, an dem er ein Mann geworden ist. Jetzt wollen wir davon profitieren.«
Damit zogen sie ab. Ein paar von ihnen drehten sich nach mir um und in ihren Gesichtern sah ich in gleichem Maße Neid und Bewunderung.
Der Pferdekampf sollte bald beginnen. Von überall auf dem Festplatz schlenderten Leute herbei – einige klitschnass, weil sie auf dem Fluss versucht hatten, auf Holzstämmen zu balancieren. Normalerweise nahm man Riemen dazu,
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