Die Einheit: Thriller (Tokio Killer) (German Edition)
ließ mein Handy im selben Moment piepsen, als wir vor dem Hoteleingang ankamen. Eine Minute bis zur Ankunft. Knapp, aber machbar. Larison blieb draußen und duckte sich ein paar Meter von der Tür entfernt zwischen zwei geparkte Autos, während ich meine Handschuhe anzog und eintrat. Der Korridor war immer noch erfreulich leer. Ich schlüpfte rasch in einen der Overalls, die auf der Abdeckplane lagen. Er war ein bisschen zu groß, aber nicht sehr. Ich griff nach einer Farbdose, einem Pinsel und der Plastikfolie, die ich abgeschnitten hatte, stellte dieDose neben dem inneren Hoteleingang auf den Boden und fing an, mit dem Pinsel über die Wand zu streichen wie ein Maler bei einer Mitternachtsschicht. Die Szene steckte so voller Ungereimtheiten, dass Finch eine Weile brauchen würde, um sie zu interpretieren, und wenn er endlich herausgefunden hatte, was an dem Bild nicht stimmte, würde es bereits zu spät sein.
Einen Moment später hörte ich die äußere Tür aufgehen. Ich blickte nach rechts und sah Finch eintreten, dann wandte ich mich wieder der Arbeit zu, mit der ich vorgeblich beschäftigt war, da ich ihn nicht durch ungebührliches Interesse alarmieren wollte. Aus dem Augenwinkel sah ich ihn näherkommen. Fünf Meter. Vier. Drei.
Er verlangsamte den Schritt, vielleicht irritiert davon, was ein einsamer Handwerker hier zu nachtschlafender Zeit zu suchen hatte. Aber dann öffnete sich hinter ihm die Außentür wieder. Ich warf erneut einen Seitenblick nach rechts und sah Larison hereinkommen, furchterregend, zielstrebig, tödlich. Finch drehte sich nach ihm um und ich wusste, dass er die nächste halbe Sekunde voll damit beschäftigt sein würde, Larisons Gesicht unterzubringen und zu begreifen, dass er ihn aus dem
Café Prückel
kannte. Dann die Überlegung, ob das ein Zufall sein konnte oder er sich Sorgen machen müsste. Endlich die Erkenntnis, dass der Mann, dem er hier zum zweiten Mal begegnete, für einen Zufall einfach zu gefährlich aussah. Und diese Schlussfolgerung, kombiniert mit der deplatzierten Anwesenheit eines ›Handwerkers‹ hinter ihm …
Ich legte den Pinsel weg und schlich mich an, wobei ich die beiden Enden der Plastikfolie mit gegenläufig verdrehten Armen und den Daumen nach außen packte. Ich drehte die Hände um, überkreuzte die Arme und erzeugte so ein gleichschenkliges Dreieck mit meinen Armen als Schenkel und der Folie als Grundlinie. Finch musste mich kommen gehört haben, denn er fing an, sich umzudrehen, aber es war zu spät. Ich warf ihmdie Folie über den Kopf und stemmte die Unterarme als Hebel gegen seinen Hinterkopf, um die Folie über seinem Gesicht zu straffen, und riss ihn nach hinten. Er verlor die Balance und krallte nach dem Zeug, das ihm Augen, Nase und Mund verschloss, aber seine Finger konnten die dicke Plastikfolie nicht durchdringen. Er stieß einen einzelnen, gedämpften Schrei aus, bekam aber keine Luft mehr für einen zweiten. Er versuchte, sich umzudrehen, und ich ließ ihn gewähren, blieb aber hinter ihm und steuerte ihn auf die Dunkelheit der Treppe zu, sodass er desorientiert blieb und sein Gleichgewicht nicht wiederfand. Er griff nach mir und ich stemmte ihm das Knie ins Kreuz, bog ihn nach hinten durch und hielt mein Gesicht außer Reichweite seiner herumfuchtelnden Arme. Er versuchte, mir die Hände und Unterarme zu zerkratzen, wurde aber durch die Handschuhe und das Tape um die Handgelenke, das ich schon in Las Vegas verwendet hatte, daran gehindert.
Ich wusste, dass ihm der Sauerstoff ausging und es nur eine Frage von Sekunden war, bevor sein Gehirn anfing, sich abzuschalten. Ich blickte auf und sah, dass Larison, der ebenfalls Handschuhe trug und die Außentür zuhielt, falls wider alle Wahrscheinlichkeit ein später Hotelgast oder Hausbewohner herein wollte, uns über die Schulter beobachtete. Gleich würde Finch erschlaffen und wenn dann jemand aus dem Hotel kommend das Treppenhaus betrat, würde er sich höchstwahrscheinlich der Außentür und Larison zuwenden und das stumme Tableau in der Dunkelheit hinter sich gar nicht bemerken. Und falls einer die Treppe herunterkam, würde ich auf Samaritermodus umschalten und auf Finchs Leiche einreden, als wäre er ein betrunkener Bekannter. Unschön, wenn sich jemand daran erinnerte, vor allem nach unserem früheren Zusammentreffen mit dem Polizisten, aber nicht unbedingt verhängnisvoll.
Finchs Beine knickten ein, er sackte in die Knie und seine Brust zuckte stoßweise, während er verzweifelt nach
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