Die Einheit: Thriller (Tokio Killer) (German Edition)
sagen, dass Sie keinen anderen Ausweg mehr wissen.«
»Dann werden wir warten müssen.«
Ich beobachtete ihn. Ich sah, dass er frustriert war und es zu unterdrücken versuchte.
»Wie denkt Ihr Freund Dox darüber?«, fragte er nach einer Weile.
Ich sah keinen Vorteil darin, unsere enge persönliche Bindung zuzugeben. »Ich würde ihn nicht gerade als Freund bezeichnen.«
»Verarschen Sie mich nicht. Er tut so, als interessiere er sich bloß für Geld und Weiber, aber ich sehe genau, dass das eine Maske ist. Wissen Sie, wie er wirkt, wenn wir alle zusammen sind?«
»Wie denn?«
»Wie ein Rottweiler, der auf seinen Herrn und Meister aufpasst. Ich wollte, ich hätte so jemanden, der mir den Rücken deckt.«
»Ich bin nicht sein Herr und Meister.«
»Sie wissen schon, was ich meine. Hinter seiner SüdstaatenJovialität verbirgt sich Loyalität. Absolute Loyalität. Ihnen merkt man nicht viel an, aber ich habe so das Gefühl, dass Sie sich diese Loyalität verdient haben. Ich spüre, dass Sie gemeinsam in der Scheiße gesteckt haben. Ich weiß nur nicht, welche Scheiße es war.«
Es endete damit, dass ich ihm von Hongkong und Hilger berichtete, als Dox einen Fünf-Millionen-Dollar-Zahltag hatte sausen lassen, um mir das Leben zu retten, und wie ich zwei unschuldige Menschen getötet hatte, nur um Zeit zu gewinnen und Dox seinerseits das Leben retten zu können. Ich fragte mich, ob ich damit nicht einen dummen Fehler machte. Aber etwas drängte mich, es ihm zu erzählen. Ich war nicht sicher, was, aber ich hatte gelernt, auf meinen Instinkt zu vertrauen.
Als ich fertig war, meinte er: »Die haben also Dox benutzt,um Sie zu erpressen.«
Die Bemerkung war mir unbehaglich. Ich fragte mich, ob ich zu viel verraten hatte. Aber etwas sagte mir, dass es besser wäre, wenn er Bescheid wusste. Ich konnte nicht erklären, warum.
»Das ist richtig«, bestätigte ich.
»Gibt es sonst noch jemanden in der Art? Einen Menschen, an dem Ihnen etwas liegt? Der aber nicht auf sich selbst aufpassen kann? Der … wie sagt man? Eine Geisel der Zukunft ist?«
Sofort blitzte ein Bild meines kleinen Sohnes vor meinem geistigen Auge auf, Koichiro, den ich nur zwei Mal gesehen hatte, als Baby in New York. Seine Mutter hatte ihm inzwischen sicher erzählt, dass sein Vater tot sei. Sie hatte ja, wenn man es genau nahm, genau das zu erreichen versucht.
Ich antwortete nicht. Ich hatte ihm schon genug erzählt. Vielleicht zu viel.
Er nickte und sagte: »Tja, wer immer diese Person sein mag, er oder sie ist jetzt Horts Geisel.«
Ich blieb stehen und versuchte, in der Düsternis in seinem Gesicht zu lesen. »Hat er Sie auf diese Weise in der Hand?«
Er antwortete mir auf die gleiche Art wie ich. Er sagte nichts.
Es war schwer vorstellbar, dass dieser eisenharte Killer so sehr an einem anderen Menschen hing. Aber ich nehme an, dasselbe könnte man über mich sagen.
»Wer?«, fragte ich.
Sein Mund verzog sich zu etwas, das irgendwo zwischen einem Lächeln und einer Grimasse lag. »Die Details spielen eigentlich keine Rolle, nicht wahr?«
Ich dachte wieder an Koichiro und antwortete: »Wahrscheinlich nicht.«
Wir hätten einfach weitergehen können, aber stattdessen zögerten wir, gefangen in dem frustrierenden Niemandsland zwischen dem Wunsch nach Verstehen und der Vergeblichkeit, es mit Worten zu erreichen.
»Woher wollen Sie überhaupt wissen, dass Horton die Diamanten hat?«, fragte ich. Mir war klar, er würde diesen kleinen Ausdruck des Interesses als Schwäche deuten und ich hoffte, ihn damit aus der Reserve zu locken.
So war es. Er sagte: »Weil er sie mir abgenommen hat.«
Er fuhr fort und erzählte mir eine erstaunliche Geschichte über CIA-Videos, auf denen Terrorverdächtige von amerikanischen Verhörspezialisten grausam gefoltert wurden. Die Entstehungsgeschichte der Videos, wer darauf zu sehen war und wer die Sündenböcke sein würden, falls sie je veröffentlicht wurden.
»Ich habe vor ein paar Jahren davon gelesen«, sagte ich. »Ich fragte mich, warum die Firma zugab, diese Videos gedreht und zerstört zu haben.«
»Nun, jetzt wissen Sie es. Sie waren verschwunden, nicht zerstört.«
»Verschwunden, weil Sie sie genommen haben.«
Er nickte. »Die Diamanten waren das Lösegeld für die Rückgabe der Videos. Aber Hort hat sie mir gestohlen.«
Ich hätte fast gefragt, warum er nicht zurückgeschlagen hatte, indem er die Videos der Öffentlichkeit übergab, aber dann begriff ich: die Geisel. Horton hatte
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