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Die Einsamkeit der Primzahlen - La solitude dei numeri primi

Titel: Die Einsamkeit der Primzahlen - La solitude dei numeri primi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
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zwei Espressi bestellte, ohne Alice überhaupt nach ihrem Wunsch gefragt zu haben. Die war verwirrt, verstand überhaupt nichts mehr, doch ein unbekanntes, starkes Glücksgefühl erfüllte sie mehr und mehr. Allmählich vergaß sie ihren Vater und die Schule. Sie saß mit Viola Bai in einer Bar, und der Tag schien nur ihnen beiden zu gehören.
    Drei Zigaretten rauchte Viola nacheinander und wollte unbedingt, dass ihre Klassenkameradin auch mal probierte. Und dann lachte Viola jedes Mal, wenn ihre neue Freundin wie eine Anfängerin husten musste. Währenddessen fragte sie sie ein wenig aus, nach Jungen und nach Küssen, mit denen Alice nicht dienen konnte. Die Augen niederschlagend, gestand sie es. Willst du mir etwa weismachen, dass du noch nie einen Freund hattest? Nie, nie, nie? Alice schüttelte den Kopf. Das kann doch nicht wahr sein! Das ist ja entsetzlich!, übertrieb Viola. Dagegen muss unbedingt was unternommen werden. Du willst doch wohl nicht als Jungfrau sterben?!
    Und so machten sie sich schon am nächsten Tag, in der Pause nach der zweiten Stunde, auf den Weg übers Schulgelände, um den passenden Jungen für Alice zu finden. Giada und die anderen hatte Viola einfach stehen lassen, indem sie erklärte, sie habe mit Alice zu tun, und die hatten ihnen nur nachgestarrt, Viola und ihrer neuen Freundin, wie sie Hand in Hand die Klasse verließen.

    Sie hatte bereits alles geplant. Passieren sollte es bei ihrer Geburtstagsparty am nächsten Samstag. Jetzt ging es nur noch darum, den Richtigen zu finden. Während sie durch die Gänge streiften und sich die Jungen anschauten, deutete sie herum, mal auf diesen, mal auf jenen, oder sagte: Schau dir mal seinen Hintern an, Alice, nicht schlecht, oder, der hat’s drauf, da kannst du sicher sein.
    Alice lachte nur nervös und konnte sich nicht entscheiden. Mit beängstigender Deutlichkeit nahm in ihrer Phantasie der Moment Gestalt an, da ein Junge seine Hand unter ihr T-Shirt stecken würde. Da er feststellen würde, dass unter den Kleidern, die ganz gut saßen, nur Fett und schlaffe Haut zu finden waren.
    Nun standen sie am Geländer der Feuertreppe im zweiten Stock und schauten den Jungen zu, die im Hof Fußball spielten, mit einem gelben Ball, der zu wenig Luft zu haben schien.
    »Und wie wär’s mit Trivero?«, fragte Viola.
    »Ich weiß gar nicht, wer das ist.«
    »Wie, du weißt nicht, wer das ist? Der ist in der Zehnten, hat mit meiner Schwester zusammen Rudern gemacht. Jedenfalls erzählt man sich interessante Dinge über ihn.«
    »Ja, was denn?«
    Viola hielt die Hände auseinander, um eine bestimmte Länge zu veranschaulichen, und lachte dann laut auf, so sehr genoss sie Alices schockierte Reaktion. Der schoss die Schamesröte ins Gesicht, während sie gleichzeitig die phantastische Gewissheit überkam, dass die Zeit der Einsamkeit tatsächlich vorbei war.
    Sie gingen ins Erdgeschoss hinunter und schlenderten an den Snack- und Getränkeautomaten vorbei, vor denen die
Schüler eine chaotische Schlange gebildet hatten. Einige lie-ßen ungeduldig Münzen in ihren Jeanstaschen klimpern.
    »Komm schon, du musst dich endlich mal entscheiden!«, sagte Viola.
    Alice drehte sich suchend um die eigene Achse.
    »Der da gefällt mir ganz gut«, erklärte sie, indem sie auf zwei Jungen etwas abseits von den anderen am Fenster deutete. Obwohl sie nebeneinander standen, redeten sie nicht und schauten sich noch nicht einmal an.
    »Wen meinst du denn?«, fragte Viola, »den mit dem Verband oder den anderen?«
    »Den mit dem Verband.«
    Viola starrte sie an, die funkelnden Augen weit aufgerissen, weit wie Ozeane.
    »Bist du wahnsinnig?«, stöhnte sie. »Weißt du denn nicht, was der gemacht hat?«
    Alice schüttelte den Kopf.
    »Der hat sich ein Messer in die Hand gerammt, mit voller Absicht. Hier in der Schule.«
    Alice zuckte mit den Achseln.
    »Mir kommt er interessant vor.«
    »Interessant? Das ist ein Psychopath. Bei so einem findest du dich eines Tages in kleine Stückchen zerlegt im Gefrierschrank wieder.«
    Alice lächelte, wandte aber den Blick nicht ab von dem Jungen mit der verbundenen Hand. Da war etwas in der Art, wie er mit gesenktem Kopf dastand, das sie reizte, zu ihm zu gehen und sein Kinn anzuheben und Schau mich an, hier bin ich zu ihm zu sagen.
    »Bist du dir wirklich sicher?«
    »Ja«, antwortete Alice.

    Viola zuckte mit den Achseln.
    »Gut, dann nichts wie los«, sagte sie.
    Sie ergriff Alices Hand und zog sie mit sich zu den beiden Jungen am

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