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Die Einsamkeit der Primzahlen - La solitude dei numeri primi

Titel: Die Einsamkeit der Primzahlen - La solitude dei numeri primi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
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wohl in Ruhe lassen, dachte er gleich danach.
    »Die da!« Er zeigte auf Giulia Mirandi, weil sie ihm am harmlosesten vorkam.
    Wie eine frisch gewählte Ballkönigin legte Giulia eine Hand
vor den Mund. Viola zog einen Mundwinkel hoch. Die anderen beiden brachen in übermütiges Gelächter aus.
    »Okay«, sagte Viola, »und nun zur Pflicht.«
    »Nein, jetzt reicht’s«, protestierte Denis.
    »Du kannst einem aber wirklich auf die Nerven gehen. Da wirst du von vier hübschen Mädchen umringt und hast noch nicht mal Lust, ein wenig zu spielen. So was erlebst du doch wohl nicht alle Tage.«
    »Gut, aber jetzt ist ein anderer dran.«
    »Nein, nein, wenn ich’s dir doch sage: Du bist immer noch dran. Mit deiner Pflicht. Oder was meint ihr, Mädels?«
    Die anderen nickten eifrig. Die Flasche war unterdessen wieder in Giadas Händen gelandet, die in regelmäßigen Abständen den Kopf zurückwarf und in großen Schlucken daraus trank, so als müsse sie leer werden, bevor die anderen es merkten.
    »Siehst du?«, lächelte Viola.
    Denis stöhnte, und die Anführerin fuhr fort.
    »Also, da ich eine höfliche Gastgeberin bin, kriegst du von mir eine angenehme Pflicht«, erklärte sie geheimnisvoll. Die anderen drei hingen an ihren Lippen und brannten darauf, die neuste Gemeinheit zu erfahren. »Du darfst Giulia einen Kuss geben.«
    Giulia lief rot an, und Denis versetzte es einen Stich in die Rippen.
    »Bist du wahnsinnig?!«, rief Giulia mit einer Empörung, die auch gespielt sein konnte.
    Mit dem Gesichtsausdruck eines launenhaften kleinen Mädchens zuckte Viola die Achseln, während Denis zwei-, dreimal langsam den Kopf schüttelte.
    »Du hast doch selbst gesagt, dass sie dir gefällt«, sagte sie.
»Und wenn ich mich weigere?«, fand Denis den Mut zu fragen.
    Schlagartig wurde Viola ernst und schaute ihm direkt in die Augen.
    »Dann bist du noch mal mit der Wahrheit dran«, erklärte sie. »Wir könnten dich zum Beispiel was über deinen süßen Freund fragen.«
    In dem durchdringenden Blick ihrer leuchtenden Augen erkannte Denis all das, was er bisher immer für unsichtbar gehalten hatte. Sein Nacken versteifte sich.
    Er drehte sich zu Giulia Mirandi um, und die Arme am Körper angelegt, reckte er ihr sein Gesicht entgegen, kniff die Augen zusammen und küsste sie. Doch als er sich wieder lösen wollte, hatte Giulia ihm eine Hand in den Nacken gelegt, hielt seinen Kopf fest und schob ihm mit Gewalt die Zunge zwischen die aufeinandergepressten Lippen.
    Denis spürte den Geschmack von Speichel im Mund, der nicht sein eigener war, und es ekelte ihn. Während er so zum ersten Mal richtig küsste, öffnete er die Augen, gerade rechtzeitig, um Mattia zu erblicken, der Hand in Hand mit dem hinkenden Mädchen die Küche betrat.

15
    Es waren die anderen, die zuerst bemerkten, was Alice und Mattia selbst erst viele Jahre später begreifen sollten.
    Sie lächelten nicht und blickten in verschiedene Richtungen, als sie das Zimmer betraten, doch sie hielten einander fest an den Händen, und so war es, als flössen ihre Körper durch die sich berührenden Arme und Finger unablässig ineinander über.
    Der Kontrast zwischen Alices hellem Haar, das ihr zu blasses Gesicht umrahmte, und dem schwarzen Haar, das hingegen Mattia strubbelig in die Stirn hing und seine dunklen Augen verdeckte, wurde aufgehoben durch diesen leichten Bogen, der sie verband. So hatten sie einen gemeinsamen Raum, dessen Grenzen nicht genau markiert waren, in dem es an nichts zu fehlen schien und die Luft ruhig und ungestört zirkulierte.
    Alice ging ihm ein Stückchen voraus, wobei Mattias zögerlicher Schritt die Schwächen von Alices krankem Bein ausglich. Während er sich von ihr mitreißen ließ, glitten seine
Füße lautlos über den Fußboden, und seine Narben lagen verborgen und beschützt in ihrer Hand.
    Auf der Schwelle zur Küche, noch ein Stück entfernt von den vier Freundinnen und Denis in ihrer Mitte, blieben sie stehen und versuchten zu begreifen, was da vor sich ging. Dabei wirkten ihre Mienen jedoch so verträumt, als kämen sie von einem fernen Ort, den nur sie beide kannten.
    Denis stieß Giulia unwirsch von sich fort, und schnalzend lösten sich ihre Münder voneinander. Er schaute Mattia an und suchte in seinem Gesichtsausdruck Spuren dessen, wovor er sich fürchtete: dass die beiden, Alice und Mattia, einander Dinge gesagt hatten, von denen er nie erfahren würde.
    Das Blut stieg ihm zu Kopf, und er rannte aus dem Raum und stieß dabei

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