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Die Einsamkeit des Barista

Die Einsamkeit des Barista

Titel: Die Einsamkeit des Barista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Malvaldi
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senkte sich herab. Tiziana hatte wahrhaftig recht. Jetzt guck dir doch nur mal die Frauen an, da glaubt man, man hätte auch für dieses Jahr einen hübschen Mord gefunden, um sich die Zeit zu vertreiben, und dann kommen die daher und machen alles kaputt.
    »Na ja, wenn du jemanden umbringst, der was über dich weiß, dann normalerweise, weil er dich erpresst …«, unternahm Rimediotti einen halbherzigen Versuch.
    »Genau«, meinte Del Tacca. »Als ob Bruno Vespa zu Mike Tyson gehen würde, um ihn zu bitten, er soll ihm eins aufs Ohr geben. Ist dir eigentlich klar, wie viel Kohle die Marina Corucci haben muss? Sie ist die Witwe vom Fabbricotti, weißt du noch? Ihr Mann hat halb Pineta gebaut. Kannst du dir vorstellen, wie viel Geld er ihr vermacht hat?«
    »Also, ich weiß nicht«, antwortete Ampelio. »Ich weiß nur, dass sie ein Auto fährt, das noch älter ist als ich. Oder besser, gefahren hat. Jetzt muss sie sich natürlich ein neues kaufen, wenn sie sich erholt hat.«
    »Aber das ist doch typisch für die Reichen«, warf Aldo ein. »Autos sind denen doch völlig egal.« Aldo nahm einen Schluck von seinem Getreidekaffee, dann fuhr er mit einem Hauch von Groll in der Stimme fort: »Aber zu mir ins Boccaccio ist sie nur selten gekommen, ich hatte wohl nicht genug radical chic für sie. Meistens ist sie in diesen renovierten Puff von Sandroni gegangen.«
    Um zu verstehen, warum sich in Aldos Sprechweise die Säure der Obszönität eingeschlichen hatte, muss man einen Exkurs über Davide Sandroni und sein Lokal »Kultivierte Schweinerei« einfügen, welches die Bezeichnung Restaurant mied, um sich noch wesentlich abgehobener für die »Bistronomie des kommenden Jahrtausends« zuständig zu erklären. Dieses Lokal, einst eine Kaschemme im Familienbetrieb, war von vorgenanntem Sandroni übernommen und in einen Tempel der sogenannten Molekularküche verwandelt worden. Die Mission dieses elitären Etablissements bestand selbstverständlich nicht darin, einfach nur den Hunger oder Durst des Gastes zu stillen, sondern ihn von Anfang bis Ende zu überraschen.
    An erster Stelle durch die Gerichte, die aus ihren Laboratorien kamen (man durfte sie nicht Küchen nennen, das wäre geschmacklos gewesen): Eisgerichte aus flüssigem Stickstoff als Vorspeise, dekonstruierte erste Gänge, zweite Gänge von verdächtiger Konsistenz wie etwa der Brotschaum auf Entenkruste und ähnliche Affektiertheiten mehr. Am Ende des Mahls das »Tenebrarum«: die süße Nachspeise, die im Dunkeln ser-viert wurde, damit der Gesichtssinn ausgeschaltet und nur der reine Geschmack die Sinne des dämlichen, aber wohlhabenden Gastes beherrschte. Die ultimative Überraschung erlebte der Gast jedoch am Schluss bei der Rechnung. Man erzählte sich von einem Pärchen, das, nachdem es seinen Jahrestag mit dem Verzehr von Schaumspeisen gefeiert hatte, sich einer Rechnung gegenübersah, auf der eine dermaßen absurde Summe stand, dass die beiden Ärmsten den Kellner zurückgerufen und ihn darauf hingewiesen hatten, dass der Tisch mit den acht Personen der in der Ecke gegenüber sei. Für jemanden wie Aldo, für den Nahrungsmittel etwas Heiliges, aber immer noch etwas zum Essen waren, war die mystizistische Aura, mit der sich die »Kultivierte Schweinerei« umgab, ein steter Quell ernsthaften Leidens.
    »Folglich«, endete er entschieden, »Geld hat das Mädchen, und wie. Der Carpanesi ist auch nicht arm, aber dass die Corucci ihn erpresst haben soll, kommt mir wirklich ziemlich unwahrscheinlich vor. Hat jemand Lust auf ein kleines Spielchen?«
    »Na gut, dann machen wir halt eine Partie«, sagte Ampelio im Ton eines Kindes, dem man gerade gesagt hat, dass das Eis alle ist. »Ich bin mir da aber nicht so sicher. Wir besprechen das noch.«
    »Jetzt wird erst einmal gespielt«, widersprach Del Tacca, »dann können wir immer noch reden. Aber so, wie ich das sehe, hat Fusco dieses Mal recht. Ohne Motiv ist da nichts zu machen. Massimo, bringst du mir einen Campari nach hinten?«
    Massimo antwortete nicht. Während die Alten sich unterhalten hatten, hatte Massimo benommen vor der Eismaschine gestanden und, ohne ihn wirklich zu sehen, den großen Rührer beobachtet, der das Nusseis rührte und rührte, in dem unbewussten Versuch, sich durch transzendentale Meditation und Identifikation mit dem im Entstehen begriffenen Ich des Eises von dem Ort zu entfernen, an dem er sich befand.
    »Massimo«, wiederholte Del Tacca, »hast du mich gehört?«
    »Aufgewacht,

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