Die Einsamkeit des Barista
besichtigt, in Begleitung diverser Immobilienmakler aller Arten, von ernsthaften Profis (wenigen) bis hin zu regelrechten Aasgeiern. Sie hatten gelernt, nicht mehr auf den Jargon von Letzteren hereinzufallen, der sich stets um eine bestimmte Zahl von feststehenden Formulierungen rankte, die, lässig in den Raum geworfen, ergänzt oder vervollständigt werden mussten: »exklusive und abgeschiedene Wohnlage« (das Haus steht auf einer Hügelkuppe mit Blick auf die Müllkippe), »rustikaler Stil mit Ziegelstein und originalen Balken« (Ruine, die nur noch vom Schimmel aufrecht gehalten wird) oder »historischer Palazzo mit Fresken aus dem 18. Jahrhundert« (die Rohre stammen noch aus dem 17.). Sie hatten gelernt, nicht auf das zu vertrauen, was sie lasen, was sie hörten und, manchmal auch, was sie sahen. Bis sie sich an Enrico gewandt hatten.
Der Makler öffnete die massive Eingangstür und ließ Tiziana und Massimo in einen dunklen Salon eintreten, der ein bisschen stickig und ungelüftet roch.
»Ihr seht, man tritt direkt ins Wohnzimmer. Wartet mal kurz, ich mache die Fenster auf, damit wir alles richtig sehen können.«
Während Massimo sich unkonzentriert umschaute, ging Enrico zu den großen Fenstern am anderen Ende des Raums, öffnete sie und stieß mit raschen und geübten Bewegungen die Läden auf. Licht durchflutete den Raum.
Enrico machte keine Winkelzüge. Statt »rustikal« sagte er »Bruchbude«, statt »funktional« sagte er »zur Hauptstraße gelegen«, und statt »da ist noch ein bisschen was zu machen« sagte er »du müsstest es mit dem Schaufelbagger abreißen«. Und wenn Enrico »kleines Schmuckstück« sagte, dann meinte er auch »kleines Schmuckstück«. Wie in diesem Fall.
Der Boden war mit Parkett ausgelegt, hell und matt, mit großflächigen Lamellen. Die Decke war niedrig. Eine Wand wurde von einer Schiebetür im japanischen Stil gebildet. In die Wand daneben war ein gemauerter Kamin eingelassen. Auch die Küche, die sich im Wohnzimmer befand, war aus Mauerwerk. Von dem bodentiefen Fenster gegenüber der Küche sah man den Rasen, leuchtend grün.
Ein kleines Schmuckstück.
Da Massimo und Tiziana nur stumm staunten, sprach Enrico weiter: »Das Haus ist aus den Neunzigern. Geplant wurde es vom Studio Archè, es ist eines der ersten Häuser, die sie gebaut haben, bevor sie berühmt geworden sind. Ausgeführt hat die Bauarbeiten die Firma Famor. Für die kann man die Hand ins Feuer legen. Exzellente Materialien, viel Aufmerksamkeit fürs Detail, einfach alles.«
Während Enrico weitersprach, war Massimo zu der Schiebetür gegangen und hatte sie vorsichtig aufgeschoben (es war ja schließlich nicht sein Haus); hinter der Tür befand sich ein einzelner riesiger Raum mit einer weiteren Tür am anderen Ende. Als er diese öffnete, blickte Massimo in ein kleines Badezimmer mit Waschbecken, Toilette und einer ultratechnologischen Dusche mit Massagedüsen.
Ein kleines Schmuckstück.
Auf dem Rückweg, im Auto, fanden Massimo und Tiziana die Sprache wieder. Allerdings fiel kein Wort über die Wohnung. Nachdem sie sie verlassen hatten, hatte Tiziana die schicksalhafte Frage gestellt, und Enrico hatte blitzschnell die Summe genannt. Die Summe war hoch, mindestens fünfzigtausend Euro über dem, was sie sich leisten konnten. Und das Haus war klein: ein Haus für einen Alleinstehenden oder ein Paar ohne Kinder. Und das war es nicht, was Tiziana vorschwebte.
»Aber warum wolltest du es dann besichtigen?«, fragte Massimo, während er auf die Straße blickte.
»Weil ich neugierig war und mal so ein Haus sehen wollte. Ich habe mir vorgestellt, dass es schön sein müsste. So wie er es beschrieben hat, schien es mir unglaublich. Aber was soll ich mit so einem schönen Haus?«
Ich werde sie nie verstehen, die Frauen.
»Außerdem wird man ja nicht zufällig so reich. Der Fabbricotti hat sich sein ganzes Geld schon verdient, wenn er so gearbeitet hat.«
»Wie kommst du denn jetzt auf den Fabbricotti?«
»Na ja, dein Freund hat es doch gesagt. Das war seine Baufirma. Die Famor. Das steht für ›Fabbricotti und Morellato‹. Da hat vor Jahren auch mal ein Freund von mir gearbeitet. Als Klempner. Ich erinnere mich noch, dass sie den in den Wahnsinn getrieben haben, und der war schon gut. Sicher, der Ärmste …«
»Wer, dein Freund? Hat der ein Sechzehnerrohr falsch angeschraubt, und dann haben sie ihm einen Betonklotz an die Füße verpasst?«
»Aber nein, Massimo. Ich meinte den Fabbricotti. Erst
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