Die Einsamkeit des Barista
die Krankheit, dann die Entdeckung, dass der Sohn … das sind schon Nackenschläge, der arme Mann.«
»Vor allem sind das erst einmal Vermutungen, Tiziana. Es mag ja sein, Giacomo und Carpanesi ähneln einander, aber das heißt doch nichts. Es ist sehr wahrscheinlich, aber es ist nicht sicher, dass sie Vater und Sohn sind. Außerdem ist doch gar nicht gesagt, dass Fabbricotti herausgefunden hat, dass Carpanesi Giacomos Vater ist.«
Ich bitte dich, sagte Massimos Bewusstsein zur Logik seines Besitzers.
»Wer Giacomos Vater ist, vielleicht nicht. Aber dass er nicht sein Sohn war, das wusste Fabbricotti. Das hat mir dein Freund gerade eben gesagt, als du durch das Haus geschlendert bist.«
»Ah. Und was soll Enrico dir gesagt haben?«
»Er hat mir die Geschichte vom Fabbricotti erzählt.«
Tiziana hob die Arme und nahm ihre Haare hoch, um sie zusammenzubinden (leider sah Massimo gerade auf die Straße), und fing an: »Anscheinend hat Fabbricotti vor zehn Jahren erfahren, dass er diese neurologische Krankheit hat, Morbus Huntington, wenn ich das richtig verstanden habe.«
»Corea Huntington. Verstehe. Eine schreckliche Krankheit.«
»Das kannst du laut sagen. Du verlierst die Kontrolle über deinen Körper, die Muskeln, die Augen … Wie auch immer, was daran aber wirklich scheußlich ist, ist, dass sie erblich ist. Wenn du Kinder hast …«
»Besteht fünfzig Prozent Wahrscheinlichkeit, dass deine Kinder es geerbt haben. Ich weiß. Das vererbt sich dominant.«
»Musterschüler. Und da du ja sowieso alles weißt, erklär mir doch, was dann passiert ist«, sagte Tiziana leicht gereizt.
»Ich weiß es nicht. Ich kann nur annehmen, dass Fabbricotti einen Gentest von sich hat machen lassen und von seinem Sohn ebenfalls. Und da kam heraus, dass Giacomo nicht sein leiblicher Sohn ist.«
»Ganz genau. Dein Freund hat mir erzählt, dass Fabbricotti erschüttert war. Wie es aussieht, hat diese Ärztin ihm am selben Tag gesagt, dass er diese Krankheit hat und dass Giacomo ein Kuckuckskind ist. Überleg mal! Da kann man sich doch nur einen Strick nehmen. Wie auch immer, Fabbricotti senior wusste Bescheid. Mich wundert’s nicht, dass er getan hat, was wer getan hat.«
Wenn ich’s recht bedenke, dachte Massimo, mich auch nicht.
An jenem Abend war nichts mehr richtig gelaufen.
Zu Hause angekommen, hatte Massimo sich auf dem Sofa niedergelassen, um seine wöchentliche Playstation-Session abzuhalten; aber sein ebenso spektakulär wie unwahrscheinlich aufgestelltes Turin (in dem Ronaldinho Seite an Seite mit Pulici aufgestellt war) war nicht über ein Unentschieden gegen das verhasste Chelsea hinausgekommen.
Danach hatte Massimo angefangen zu kochen.
Zutaten (für vier Personen): 350 g Pennette – 4 Birnen Sorte Decana del Comizio – 150 g geräucherter Schwert – 200 g Caprino – 1 Zitrone – schwarzer Pfeffer, Salz, Olivenöl extra vergine.
Oh, da haben wir’s. Also, die Pennette hatte ich irgendwo, und da sind sie ja auch. Geräucherter Schwertfisch, da haben wir ihn. Wer weiß, warum die den nur »Schwert« nennen und nicht »Schwertfisch«. Haben die Angst, es könnte jemand das Rezept verstehen? Ich hoffe ja nur, dass ich nie »4 dünne Scheiben Kugel« in einem Rezept finde. Das müsste dann Kugelfisch sein, aber man kann ja nie wissen. Caprino, hab ich. Er ist abgepackt, aber immer mit der Ruhe. Zitrone, hab ich aus der Bar mitgebracht, schöne Zitronen, echte aus Erice, hm, wie die duften. Birnen Decana, da liegen sie. Bei allem, was ich auf mich nehmen musste, um die von dieser Dusseligen am Obststand auf dem Markt zu bekommen.
»Ich hätte gern Birnen Decana del Comizio.«
»Oh, was ist denn das?«
»Also, Birnen, glaube ich. Ansonsten hätte man sie ja Pflaumen oder Tannen genannt, je nachdem.«
»Wie sehen die aus? Ich weiß nicht, wie die aussehen sollen, ich hab so einen Namen noch nie gehört. Ich hab Coscia-Birnen, Spadona, Sangermane …«
»Nein, ich weiß nicht, wie die aussehen. Im Rezept steht ›Birnen Decana del Comizio‹.«
»Aha, für ein Rezept? Na, also dann gucken Sie doch mal, ob Sie sie hier irgendwo sehen … Also ich weiß ja nicht …«
Und ich weiß es halt auch nicht, du dusselige Kuh, das hab ich dir doch gerade gesagt, dachte Massimo.
»Also, so hören Sie doch, ich hab hier Coscia-Birnen, die sind ganz was Besonderes, die sind so gut, da könnte man sich reinlegen. Wie viele wollen Sie denn, vier oder fünf?« Und dann ging die Tussi los und
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