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Die Einsamkeit des Barista

Die Einsamkeit des Barista

Titel: Die Einsamkeit des Barista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Malvaldi
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gesprochen! Ich habe dreißig Jahre gearbeitet, um deine Mamma zu ernähren und sie studieren zu lassen.«
    »Drittens«, fuhr Massimo fort, »würde niemand die Existenz der anderen zur Kenntnis nehmen. Das wäre das Hauptproblem.«
    »Hört sich ein bisschen komisch an, ausgerechnet aus deinem Mund«, bemerkte Del Tacca.
    »Ganz und gar nicht«, antwortete Massimo. »Ich habe überhaupt nichts gegen andere Menschen, solange sie sich rational verhalten und mich in meiner Freiheit nicht einschränken. Was ziemlich häufig geschieht, das muss ich zugeben. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass man, wenn man auf der Welt sein möchte, zwangsläufig die Tatsache bedenken muss, dass es mehr oder weniger noch sechs Milliarden andere Menschen gibt, die dieselben Rechte wie man selbst haben sollten. Wenn man also wirklich irgendeinem Prinzip folgen muss, dann scheint es mir wichtig, das im Kopf zu behalten. Deine Freiheit endet da, wo die der anderen beginnt. Das scheint mir vielversprechender zu sein, so als Prinzip.«
    »Schöne Worte, Massimo, wirklich«, sagte Del Tacca. »Also dann erklär mir doch mal, warum einer, der zur falschen Zeit bei dir einen Cappuccino bestellt, wenn er Glück hat, einen Eistee bekommt, und wenn er Pech hat, zum Teufel gejagt wird?«
    »Nun, ich hab dir das Prinzip erklärt. Aber ich hab nicht gesagt, dass es leicht anzuwenden wäre oder dass ich es immer wortwörtlich befolge. Ich bin ja schließlich nicht der Messias oder der Papst. Ich bin ein Barmann. Du hingegen bist frei, in eine andere Bar zu gehen. Ist ja nicht so, dass ich dir nachlaufen und dich daran hindern würde, deinen Kaffee in einer anderen Bar oder zu Hause zu trinken. Ich geh dir auf die Nerven, weil du gegen meine Überzeugung verstößt, dass nur Prokarioten auf die Idee kommen, nach der Mittagsstunde noch Cappuccino zu trinken, aber ich hindere dich an gar nichts. Wenn ich aber katholisch bin und der Meinung, dass die künstliche Befruchtung eine Sünde ist, was mache ich dann? Dann fordere ich die Leute auf, nicht für das Referendum zu stimmen, sodass du, aufgrund meiner Überzeugung, keine künstliche Befruchtung machen kannst. Das ist genauso, als würde ich dir nach Hause folgen und dich daran hindern, Kaffee zu trinken. Ich schränke deine Freiheit ein, oder nicht?«
    »Der Junge hat recht«, sagte Ampelio. »Die Kirche ist ja inzwischen schon zur Schwiegermutter des Staates geworden. Kaum kommt ein Gesetz raus, sind die schon dabei, es zu bequatschen. Dieses hat man schon immer so gemacht, jenes macht man nicht und das auch nicht. Kaum machst du mal was auf eigene Rechnung, ist es schon eine Sünde. Als hätten die nichts anderes zu tun, als über Embryonen nachzudenken.«
    »Aber das sind ihre Überzeugungen. Daran glauben sie. Du kannst ja wohl kaum vom Papst verlangen, nicht vom Recht auf Leben zu sprechen, er vertritt nur seine Position.« Tiziana hörte auf, einige Tabletts abzuwischen.
    »Es kommt mir aber vor, als täte er das auf ziemlich seltsame Weise. Um es gelinde auszudrücken. Erlaubt mir eine Frage: Tiziana, warum will der Papst nicht, dass wir Sex mit Kondomen machen?«
    »Weil dann keine Kinder mehr geboren würden«, mischte sich Aldo ein. »Was eine Sünde wäre, wenn man sich nur mal Tiziana anguckt, und eine Erleichterung, wenn man an dich denkt. Folglich scheint mir das eine ausgewogene Position.«
    »Richtig. Es würden keine Kinder mehr geboren. Wir würden uns nicht fortpflanzen. Aber …« – und hier war Massimo versucht zu sagen, dass man sich dafür umso mehr vergnügen würde, aber die Gefahr, von Tiziana das Tablett um die Ohren gehauen zu bekommen, war greifbar –, »also, es bliebe nur noch der Genuss. Der Genuss ohne den Zweck, für den er gedacht ist. Richtig?«
    »Genau.«
    »Folglich, entschuldige, wenn ich darauf herumreite, wenn ich etwas nur zu meinem persönlichen Vergnügen tue, ohne jeden anderen Zweck, dann hat die Kirche etwas dagegen?«
    »Sicher. Sie nennt es Sünde«, sagte Aldo.
    »Und wenn dieser Akt, der mir Vergnügen bereitet, auch noch mein Leben und das der anderen gefährden würde, was machen wir dann? Ich bin ein Sünder, und ich riskiere das Leben anderer. Ist das nun schlimmer, als mit Kondom zu ficken oder nicht? Da steht es zwei zu eins.«
    »Na ja, ich würde sagen, es ist schlimmer.«
    »Also warum geht mir dieser Oberarsch von einem Papst dann mit dem Kondom auf die Nerven und sagt mir stattdessen lieber nicht, ich soll aufhören zu

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