Die Einsamkeit des Barista
Ferraris würdig war; Letzteres konnte Massimo allerdings nur vermuten, weil er sich niemals auf den Sessel eines anderen gesetzt hätte. Da er bereits genug gesessen hatte, war er auf und ab gegangen, während er auf den Notar wartete. Dann war der Notar hereingekommen, hatte ihn gegrüßt, während er Platz nahm, und kurz einige Briefe durchgesehen, um schließlich Massimo mit einem neutralen Blick unter die Lupe zu nehmen, weder verärgert noch neugierig, einfach nur professionell.
»Ich muss Sie etwas zu einem Ihrer Mandanten fragen. Um genau zu sein, geht es um Sirio Fabbricotti.«
Der Notar blickte ihn weiter unverwandt an, ohne eine Miene zu verziehen. Massimo wartete einen Augenblick, dann fuhr er fort: »Sirio Fabbricotti, ja.«
»Das habe ich verstanden, Signor Viviani. Ich bin alt, nicht taub.«
Massimo seufzte. Hör zu, jetzt bist du nun einmal hier, jetzt musst du es auch bis zum Ende durchziehen.
»Was ich wissen wollte, Signor Notaio, sind die Bedingungen der Schenkung, die Sirio Fabbricotti zugunsten seines Sohnes Giacomo vor ein paar Jahren gemacht hat.«
»Auf was für eine Schenkung beziehen Sie sich?«
»Auf die Schenkung, mit der Sirio Fabbricotti sein Erbe seinem Sohn Giacomo überschrieben und gleichzeitig seine Frau Marina Corucci mittels einer von ihr unterzeichneten Verzichtserklärung davon ausgeschlossen hat.«
Der Notar blickte ihn weiter mit demselben neutralen Ausdruck an.
»Und woher wissen Sie davon?«
Scheiße. Siehst du, sagte Massimo »das Brave Kind«, was passiert, wenn man den Schlaumeier spielen will, obwohl man keine Ahnung hat?
Sei still, ich muss mich konzentrieren, du Nervensäge, antwortete der andere Massimo.
»Wir sind ein kleines Städtchen. Die Leute tuscheln.«
Der Notar blickte Massimo an und zog eine Augenbraue hoch.
»Wenn die Leute so gut informiert sind, müssten Sie das doch auch wissen. Aber darauf kommt es nicht an. Die Betroffenen sind verstorben, ihre Testamente, sofern sie vorliegen, sind verlesen und ihre Anweisungen ausgeführt worden. Möchten Sie das im Detail wissen, oder kann ich es Ihnen formlos erklären?«
Jetzt war der Tonfall des Notars entschieden sarkastisch.
»Bitte, ganz wie Sie möchten.«
»Sirio Fabbricotti hat sein gesamtes Vermögen, abzüglich einer gewissen Summe, die er für sein eigenes Überleben und seine eigene Behandlung errechnet hat, seinem Sohn Giacomo geschenkt. Da der Junge damals, wenn ich mich recht erinnere, erst acht Jahre alt war, hat er einen Treuhänder ernannt, der das Vermögen verwalten sollte, bis der Junge volljährig würde.«
»Und dieser Treuhänder sind Sie?«
»Ganz genau.«
Der Blick des Notars verlor sich einen Augenblick zum Fenster hinaus.
»Ich kannte Sirio Fabbricotti nicht besonders gut, aber wir vertrauten einander. Ich habe alle notariellen Urkunden zu allen Häusern, die er gebaut und verkauft hat, vorbereitet und unterzeichnet, von der ersten bis zur letzten. Er war ein verschlossener Mensch, zurückhaltend, und hat den Jungen von ganzem Herzen geliebt. Auch nachdem er herausbekommen hatte, dass er nicht sein Sohn war.«
Der Blick des Notars kehrte zu Massimo zurück.
»In diesem Land kann man keinen Verwandten ersten Grades enterben, nicht mal, wenn man das will. Auch wenn ein Testament hinterlassen wird, erwartet die direkten Verwandten cuius, also ein rechtlich zugesicherter Anteil. Aber Sirio hatte, seiner Meinung nach, eine Möglichkeit gefunden, seine Frau vom Erbe auszuschließen. Er hat sie vor die Alternative gestellt: Entweder du unterschreibst, dass du darauf verzichtest, die Schenkung anzufechten, hat er ihr gesagt, oder …«, der Notar lächelte, »oder ich entlarve dich vor aller Augen als Lügnerin und verlange die Scheidung. Alle werden wissen, dass Giacomo nicht mein Sohn ist, und du und er werden ohne einen Cent dastehen. Marina hat unterschrieben.«
»Ich verstehe. Also hat Fabbricotti fast sein gesamtes Vermögen Giacomo geschenkt und Sie als Verwalter seines Hab und Gutes eingesetzt, bis zur Volljährigkeit.«
Der Notar nickte, hob die Handflächen, als wollte er sagen, dass er das für offensichtlich hielt.
»Entschuldigen Sie, aber Sie haben vorhin gesagt, dass die Testamente verlesen und vollstreckt worden seien, soweit sie vorlagen. Gab es noch mehr Testamente außer dem von Fabbricotti?«
»Nein, das war mehr ein, sagen wir mal, allgemeiner Plural. In der Tat gab es nur ein Testament, das von Sirio. Giacomo und Marina sind gestorben, ohne
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