Die Einsamkeit des Chamäleons
seine Rolle, die er in ihrem jeweiligen Fall spielte, absolut zweitrangig. Es war ein rein biologischer Instinkt, der da vor allen anderen Instinkten und lange vor der Vernunft das Wort erhielt.
Rebekka hatte fleiÃig im Internet recherchiert, aber keine Verbindung zwischen Ulrike und Recycling, Verschrottung und Co . gefunden.
»Wie kommt es, dass du für ihn arbeitest?«
Ulrike lachte.
»Du bist gut im Ablenken. Hast mir meine Frage noch nicht beantwortet.«
»Meine liebe Ulrike«, versuchte Rebekka abzuwiegeln, um die so plötzlich empfundene Anziehung, die Thorsten Milchmeyer nur bei der Erwähnung seines Namens auf sie ausübte, zu verbergen. »Er ist eher deine Altersklasse. Nicht meine.«
»Wie alt bist du eigentlich?«
»41.«
»Na und? Er ist 37.«
»Also ist er in deinem Alter, wenn ich mich recht entsinne.«
»Tust du. Aber nun mal weitergefragt: Einen Prinzen gibt es in deinem Leben also nicht. Warst du früher mal verheiratet? Hast du Kinder? Und wenn nicht, warum nicht?«
Warum hatte eine Frau wie Rebekka weder Ehemann noch Kinder?, schien Ulrike sich zu fragen und nahm Rebekkas Schweigen als Antwort.
»Siehst doch gut aus! Also mein Bruder Achim würde dich sofort nehmen â¦Â«
Achim ist also der MaÃstab der Dinge.
»⦠zumindest für eine Nacht.«
Ulrike gluckste vor Lachen.
»Und selbst für Erik Assmann würde ich fast meine Hand ins Feuer legen, was dich betrifft. Wie der dich angeschaut hat!«
Bei diesen Worten klang Ulrike regelrecht verträumt. Was zwischen den beiden lief, interessierte Rebekka nun noch mehr.
»Mein Kind«, Rebekka kehrte absichtlich zu ihrem mütterlichen Ton zurück, »auch wenn ich nicht wie Mutter Courage durch die Gegend schlurfe, heiÃt das nicht, dass mir die Männer nur so zufliegen und ich dann auch noch den Einen darunter finde, mit dem ich nicht nur ein Kind, sondern auch eine Zukunft haben will. Und wenn doch, dann war er, der Eine, eben noch nicht dabei.«
»Naja, Thorsten Milchmeyer jedenfalls wär genau so einer für mich. Aber manchmal denke ich, der ist vom anderen Ufer. So wenig, wie der sich für die Frauen in der Firma interessiert. Und davon gibt es einige! Und willige!«
Ulrike erwähnte die Willigen, als gehörte sie selbst gar nicht dazu, dabei glühten ihre Wangen, seit sie seinen Namen gesagt hatte.
Rebekka trank einen groÃen Schluck Becks , die Tablette vom Morgen ignorierend.
»Und wie lange arbeitest du schon bei Recycling, Verschrottung und Co .?«
»Warum interessiert dich das?«, fragte Ulrike, nun stutzig geworden.
Rebekka hatte das Wichtigste vernachlässigt: ihre Fragen, egal, wie notwendig sie waren, beiläufig zu stellen, um sich nicht durch den Sog der Neugier zu verraten. Sie biss in eine Bulette, um etwas Zeit für die Antwort zu gewinnen.
»Nun ja«, umständlich wischte sie sich den Mund ab, »gestern waren doch viele Kollegen von deinem Vater da. Und Milchmeyer. Ich hatte wirklich nicht den Eindruck, dass ihr euch kennt. Und das, obwohl es doch auch deine Kollegen sind.«
»Und, nicht zu vergessen, Jörns Kollegen!«
Rebekka verbarg ihre Ãberraschung. Jörn arbeitete also auch für die Firma. Bis zu ihm war sie noch nicht vorgedrungen in ihren Recherchen, und es war gut zu wissen, dass sie nun schon mal zwei der Otto-Geschwister im Auge des Hurrikans namens Recycling, Verschrottung und Co . platziert hatte, ohne etwas dafür tun zu müssen.
»Du findest mich also zu neugierig?«, hakte Rebekka nach und behielt die Frage nach Jörn im Hinterkopf.
»Ach was«, wiegelte Ulrike ab, »da war wohl eher mein Wunsch der Vater des Gedankens.«
»Welcher Wunsch?, fragt die Neugierige.«
Ulrike kicherte. »Kommst mit raus, eine rauchen?«
Sie tranken den Milchkaffee aus, nahmen ihre Bierflaschen und setzten sich an den kleinen Rauchertisch vor das Café.
»Tolle Regelung, das mit dem Rauchverbot«, sagte Rebekka.
Ulrike lächelte immer noch, nachdem sie den ersten Zug tief inhaliert hatte.
Wenn Sie mit dem Rauchen aufhören wollen, dann kaufen Sie sich keine Zigaretten mehr. Das gilt übrigens auch für Alkohol, nur dass Sie dann statt der Zigaretten keine alkoholischen Getränke mehr kaufen sollten.
»Bist du jetzt zynisch?«, hakte Ulrike nach.
»Mein Radiosender ist zynisch. Der gibt mir jeden Morgen
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