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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Holland Moritz
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kostenlose Ratschläge mit in den Tag, die mich statt klüger nur noch wütender machen.«
    Â»Ich weiß genau, was du meinst. ›Wenn Sie nicht frieren wollen, ziehen Sie sich warm an!‹, ›Wenn Sie ehrliche Menschen um sich haben wollen, dann halten Sie sich von den unehrlichen fern!‹ Dreitausend Öcken pro Spruch.«
    Â»Richtig. Und fünftausend Nachbestellungen des dazugehörigen Buches im Internet.«
    Sie lachten befreit. Rebekka zog ihren Cardigan fester um sich. Für diesen zweiten Aprilsamstag war sie zu dünn angezogen. Ulrike rubbelte ihr sanft den Unterarm. Rebekka lächelte und zog den Arm behutsam weg.
    Ulrike lehnte sich zurück und betrachtete den Himmel.
    Â»Nein, im Ernst. Dürften wir da drin noch rauchen, hätte ich jetzt schon die fünfte weg. So ist es die erste. Daher war es auch nur ein Schlaganfallverdacht und kein richtiger.«
    Â»Habt ihr die … entschuldige … Schlaganfälligkeit in eurer Familie?«
    Ulrike wurde nachdenklich. Nach einer Weile sagte sie zögernd: »Eigentlich nicht.«
    Â»Eigentlich?«
    Ulrike reagierte nicht auf ihr Nachhaken.
    Â»Weil dein Vater daran gestorben ist?«
    Rebekka nahm einen großen Schluck aus ihrer Bierflasche und orderte mit einer Handbewegung durch das Kneipenfenster zwei weitere in der Hoffnung, ihre Frage käme so beiläufig bei Ulrike an, wie sie ausgesprochen war.
    Â»Das ist nur eine Vermutung. Er hat wohl ein Blutgerinnsel im Kopf gehabt, keine Ahnung, irgendetwas da drin ist jedenfalls geplatzt. Er war auf der Arbeit, dort, wo die Metalle sortiert werden. Als man ihn fand, war er bereits tot.«
    Ulrike sprach beinah mechanisch, gerade so, als dachte sie nebenbei über viel Wichtigeres nach, was jetzt und hier keine Rolle spielte, eines Tages aber alles verändern würde.
    Rebekka zog ihre Strickjacke noch fester um sich.
    Â»Welche Todesursache steht auf dem Totenschein?«
    Â»Musst du Nils fragen, der hat den Papierkram erledigt. Erzählt hat man uns etwas von einer Hirnblutung.«
    Â»Wer hat euch das erzählt?«
    Â»Milchmeyer. Hat Jörn und mich an dem Morgen gleich abgefangen. Er war wahnsinnig aufgeregt und schien ehrlich betroffen. Es schien ihm wirklich leidzutun, beinah so sehr, als hätte er einen Freund verloren.«
    Ulrike hatte Tränen in den Augen, und Rebekka fragte sich, ob sie der Erinnerung an jenen Tag geschuldet waren, dem Verlust des Vaters oder dem ambitionierten Thorsten Milchmeyer.
    Â»Er hatte ja gleich den Betriebsarzt gerufen. Aber das mit der Hirnblutung kam von ihm. Er war noch bei meinem Vater und dem Arzt geblieben. Da standen Jörn und ich schon draußen. Jörn hatte schnell ein paar Bier aus der Kantine geholt. Es war noch früh am Morgen. Wir standen im Regen und soffen und rauchten uns die Hucke voll. Hat sich keiner drüber aufgeregt.«
    Der Barkeeper brachte zwei Bier nach draußen.
    Â»Du hast gesagt … zumindest sinngemäß … du hättest dir eigentlich gewünscht, dass …« Rebekka ließ den Satz absichtlich ins Leere laufen,
    Â»Ja«, parierte Ulrike, »dass es außer dir noch ein paar mehr Leute gäbe, die sich für den Tod meines Vaters in dieser Firma interessieren.«
    Rebekka blieb achtsam.
    Â»Ich interessiere mich nicht für den Tod deines Vaters in dieser Firma. Ich wollte nur wissen, seit wann du dort arbeitest und was du dort tust.«
    Â»Er hat uns beide dort reingeholt, Jörn und mich. Wir waren schließlich seine Sorgenkinder. Deshalb wollte er uns wohl in seiner Nähe haben. Jörn blieb über ein Praktikum dort hängen, ich hatte mich gleich bei Amtsantritt Milchmeyers für dessen Team beworben, bin aber nur als Volontärin genommen worden. Seitdem hangele ich mich dort von Monat zu Monat …«
    Â»â€¦ und hättest damit längst fest angestellt werden müssen.«
    Rebekka hatte sich ein paar Paragrafen aus dem Arbeitsrecht im Schnellkurs angeeignet. Wenn sie sich schon zur Chefin eines kleinen Partyservice mit vier Angestellten machte, musste sie auch wissen, wie Arbeitsrecht im Großen funktionierte. Menschen wie Nils Otto und Erik Assmann würden sich keine Chance entgehen lassen, ein bisschen nachzubohren, und dann musste Rebekka funktionieren.
    Â»Ich weiß, eine Festanstellung in dieser Firma wäre nun auch fällig. Und eine schöne Abwechslung in meinem

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