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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Holland Moritz
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Stück für Stück einzurichten. Stück für Stück meinte einzelne Möbelstücke, die sie umgeben sollten wie Kunstwerke. Im Gegensatz zur Laura-Ashley -Idylle der Gartenlaube in Neuenhagen würde ihre Wohnung einer Fabriksetage gleichen, in der die Maschinen noch nicht lange stillstanden.
    Sie schaute sich in aller Ruhe um. Milchmeyers amüsierten Blick ignorierte sie dabei völlig.
    Metall war auch in dieser Verwaltungsidylle der neue alte Einrichtungstrend mit Wohnmöbeln aus dem Material, das Rebekka immer mit Kälte in Verbindung gebracht und höchstens in Form von Schmuck attraktiv gefunden hatte. Erst seit Cascones Chicagoer Bildhauerschule den hiesigen Markt mit recycelten Möbeln und Accessoires aus allem erdenklichen Metall aufpeppte, war auch Rebekka aufmerksam geworden auf die Schönheit dieser kalten, scharfkantigen Materie, die – mit einer warmen Patinierung versehen – wie ein Chamäleon die Farben wechselte, ganz im Auge des Betrachters liegend. Sie erkannte sofort die Herkunft der Designermöbel und Skulpturen in Thorsten Milchmeyers Büro, das in einem Gebäude mit dem Charme eines Finanzamts lag. Und sie fragte sich einmal mehr, wie ein solcher Boom um einen einzigen Künstler entstehen konnte, wo es doch bildhauende Handwerker und auch Metall wie Sand am Meer gab. Es musste eine geniale Idee hinter Andrew Cascone und seiner Kunst geben, die ihn ganz nach vorn gebracht hatte.
    Milchmeyer genoss noch immer den bewundernden Blick, mit dem die Frau sich in seinem großzügig geschnittenen Arbeitszimmer umschaute. Entweder sie war extrem naiv, dachte er sich und hoffte auf genau diese Möglichkeit, oder sie führte etwas im Schilde, und er musste vorsichtig sein. Genüsslich ließ er den ersten Eindruck noch ein wenig auf seine Besucherin wirken und nahm das allmähliche Erkennen in ihren Gesichtszügen wahr, auf das er einerseits gewartet, das er andererseits gefürchtet hatte, denn es sprach für Möglichkeit zwei: Sie führte etwas im Schilde, und er musste auf der Hut sein.
    Â»Sie wollen mir nicht sagen, dass das hier«, Rebekka wandte sich, Erstaunen spielend, Milchmeyer zu und nickte in Richtung der Metallskulpturen, die auf einer patinierten Stahlkonsole standen, »alles echte Cascones sind?« »Aufgesockelt und beleuchtet«, sagte Milchmeyer stolz. »Diesem Typen kann man nicht genug Aufmerksamkeit schenken. Das hier ist das Beste, was er je gemacht hat, seine Moon-Series . Die andere Hälfte davon steht in Lutter s Kunstsammlung. Nun haben Sie auch gleich einen Eindruck der kreativen Seite des Recycelns bekommen. Ich bin beeindruckt.«
    Â»Brauchen Sie nicht. Wenn es einen Newcomer gibt, der ohne eine Aufzählung anderer Namen neben seinem auskommt, dann Cascone«, sagte Rebekka nicht ohne Stolz.
    Â»Richtig.«
    Milchmeyers Augen wanderten an Rebekka auf und ab, seine Stirn lag in Falten, und etwas an ihm machte sie hellhörig. Thorsten Milchmeyer hatte kurz die Contenance verloren. Doch er redete unbeirrt weiter.
    Â»Er hat einen völlig neuen Stil der Gestaltung entwickelt, sich neben Skulpturen auch Möbeln und Schmuck zugewandt und leiht mittlerweile sogar einer Kunstschule seinen Namen, als handle es sich um eine Kunst gattung .«
    Milchmeyer referierte, als zöge er diese Art von Veranstaltung täglich durch. Und irgendwie wirkte sein Büro mit den beleuchteten Skulpturen auch eher wie ein Showroom. Dabei hatte er Rebekka noch nicht einmal einen Platz angeboten. Dass sich sein Gegenüber mit bildender Kunst auskannte, war Thorsten Milchmeyer offenbar nicht gewöhnt. Rebekka merkte sich dieses Detail. Einer, der so viel über Kunst wusste und für Werke nicht nur das Geld, sondern auch einen guten Riecher zu haben schien, war normalerweise nicht irritiert, wenn er einer Gleichgesinnten gegenüberstand.
    Â»Sie schreiben also für die Motz ?«
    Â»Nein. Für den Straßenfeger . Und Sie kennen somit schon mal beide Obdachlosenmagazine der Stadt. Ich bin schon wieder beeindruckt.«
    Â»Na ja, so oft, wie die einem in der S-Bahn mit einem armen Typen samt Hund im Schlepptau begegnen, ist das ja wohl kein Wunder. Setzen Sie sich. Kaffee? Wasser? Beides?«
    Der Zeigefinger seiner manikürten Hand schwebte über einer Taste seines Telefons.
    Â»Wasser reicht. Danke.«
    Â»Bringen Sie uns bitte ein Wasser und einen Kaffee«, lautete die

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