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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Holland Moritz
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Ansage, die nun bei seiner Sekretärin im Vorzimmer landete. Dann wandte er sich wieder Rebekka zu.
    Â»Was kann ich für Sie tun?«
    Rebekka zog ihr Moleskine -Notizbuch und den Montblanc -Füller aus ihrer Tasche, auf dem sofort Milchmeyers in Luxusgegenständen geschultes Auge lag.
    Â»Die zahlen aber gut«, merkte er lakonisch an.
    Â»Die zahlen gar nichts. Und schreiben kann für diese Zeitungen jeder, der etwas zu sagen hat. Selbst Sie könnten dort Artikel veröffentlichen.«
    Â»Na ja«, sagte Milchmeyer gönnerhaft, und Rebekka stellte fest, dass er tatsächlich ein schöner Mann war. Eine schöne Schüssel, aus der sich nicht essen ließ. Ulrike hatte definitiv keine Chance bei diesem Mann. Der gab sich mit einfacherer Kost zufrieden, und das musste nicht das Gras vom anderen Ufer sein, befand Rebekka, und hatte völlig überhört, was er zu ihr gesagt hatte.
    Â»Oder was meinen Sie?«
    Â»Entschuldigung, ich habe …«
    Milchmeyer lachte, aber es war nicht abfällig, auch wenn nur noch fehlte, dass er »das erlebe ich öfter« hinzufügte.
    Â»Unsere Firma verschickt regelmäßig kistenweise gebrauchte Handys an ein Hilfswerk in Somalia. Zählt das schon als caritative Arbeit, auch wenn sie nicht nach Neukölln oder Wedding gehen? Dort müsste ich ja befürchten, eins der Handys demnächst als nagelneu verkauft zu bekommen. Oder was meinen Sie?«
    Â»Das meine ich nicht. Caritativ ist Ihr Einsatz, ja, aber ich bemühe mich tatsächlich, mit meinen Interviews auf Partner zu stoßen, die sich für mehr Engagement in ihrer eigenen Stadt gewinnen lassen.«
    Â»So?« Milchmeyer zog die Augenbrauen hoch. »Wen haben Sie denn da schon gewonnen?«
    Â»Mich selbst zum Beispiel. Ich betreibe einen Partyservice und bringe manchmal ganze Aufschnittplatten zur nächstgelegenen Suppenküche.«
    Â»Wen noch?«
    Â»Wer führt hier das Interview?«
    Â»Sie mit mir. Aber ich möchte wissen, mit wem ich rede, denn glauben Sie mir, mit Schaumschlägern habe ich es auch in der Müllwirtschaft zur Genüge zu tun.«
    Â»Das Vico House zum Beispiel.«
    Â»Lassen die da jetzt schon Obdachlose übernachten?«
    Sein Sarkasmus kam Rebekka gelegen. Nun wusste sie endlich, wie der Hase lief, und dass sie ihn nur bei den Löffeln – seiner Eitelkeit – packen musste.
    Â»Nein, aber ein paar Kosmetikprodukte aus der hauseigenen Produktion und auch übrig gebliebenes Essen von Empfängen wird zu einem Heim der Erstaufnahme in Neukölln gebracht.«
    Freddy hatte sich zähneknirschend aber doch interessiert gezeigt und wollte dieser Tage mit der Geschäftsführung reden. Rebekka hatte also nur etwas bei der Zeitform geschummelt.
    Die Sekretärin brachte Kaffee und Wasser und verschwand wieder im Vorzimmer.
    Milchmeyer rührte in seiner Tasse herum und schaute Rebekka dabei an, als wäge er eine wichtige Entscheidung ab.
    Â»Hören Sie, das caritative Projekt, das Recycling, Verschrottung und Co . zu einem Unternehmen mit Zeitgeist macht, mit dem Finger am Puls dieser Stadt sozusagen, ist eines, von dem Sie in dieser Größenordnung überhaupt noch nichts gehört haben.«
    Â»Schießen Sie los.«
    Â»Da gibt es nicht viel zu sagen, denn ich betrachte es als selbstverständlich, meine Angestellten auch in der Schicht der Gesellschaft zu rekrutieren, die eigentlich nur deshalb die Verliererschicht ist, weil jeder darin sich zum Verlierer machen lässt, anstatt sich dort wieder raus zu boxen.«
    â€ºIm letzten Wahlkampf war einer für die Arbeitsplätze hier‹, hörte sie die Frau vom Neuenhagener Hilfswerk noch sagen. Rebekka lief es eiskalt über den Rücken. Sie stellte das Wasserglas zurück auf den Tisch, bevor es ihr aus der Hand fallen konnte.
    Â»Und wofür verwenden…«, Rebekka räusperte sich, »womit beschäftigen Sie diese Menschen?«
    Â»Mit der Aufbereitung von Metall. Keine wirklich einfache Arbeit. Aber effektiv für beide Seiten.«
    Sie legte ihr Notizbuch beiseite. In ihrem Kopf öffnete sich nun ein ganz anderer Fragenkatalog, und den kannte sie auswendig.
    Und auch Milchmeyers Haltung veränderte sich. Er atmete tief ein und saß plötzlich kerzengerade, obwohl er soeben noch bequem in seinem Drehsessel gefläzt hatte. Mit einer Hand griff er in die Schreibtischschublade, wobei er

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