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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Holland Moritz
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Vorurteile, sondern Tatsachen. Also wenn du nur auf das schnelle Abenteuer aus bist, dann amüsier dich in der Roots Bar , das geht schneller und du bist abends wieder zu Hause, mit wem auch immer im Schlepptau.«
    Â»Ja, Mama!«, sagte er schnippisch und stand auf.
    Rebekka blieb sitzen und schaute ihn an.
    Â»Was ist los?«
    Â»Nichts.«
    Weil er stehen blieb, wusste sie, dass er reden wollte. Sie berührte ihn sanft am Arm.
    Â»Bist du einsam?«
    Â»Ach, weiß nicht.«
    Freddy machte sich los, ging aber immer noch nicht weg, als solle sie ihn noch weiter anbetteln, doch endlich etwas zu sagen.
    Â»Also, was ist los?«
    Â»Ich bring dich nach oben.«
    Gemeinsam gingen sie zum Fahrstuhl. Als sich die Tür hinter ihnen schloss, taute Freddy förmlich auf.
    Â»Hab mich länger mit einem Typen unterhalten. Wir kamen eigentlich über unser Graffiti an der Wand miteinander ins Gespräch. Ab wann denn so was Kunst ist und so. Hatte ich noch nie drüber nachgedacht.«
    Er schaute Rebekka prüfend von der Seite an.
    Â»Ich auch nicht«, antwortete sie wahrheitsgemäß.
    Â»Ãœberhaupt konnte ich prima reden mit dem. Die meisten gehen ja eh nur vorbei, tun cool und sind auf dem Weg zu ihren wichtigen Treffen im Dachrestaurant. Der hatte auch einen Termin da oben sitzen, ließ sich aber Zeit, mit mir zu quatschen. Und da hab ich gemerkt, dass mir so etwas fehlt.«
    Â»So etwas? Und ich? Bin nicht auch ein bisschen so etwas für dich?«
    Â»Ach, das verstehst du nicht. Natürlich bist du mir wichtig, sonst ständen wir jetzt nicht hier. Apropos«, er drückte auf den Etagenknopf, »damit wir nicht morgen auch noch hier stehen.«
    Â»Und dein neuer Gesprächspartner ist Afrikaner.«
    Â»Nein! Hach!« Freddy machte eine übertrieben tuntige Geste und brachte Rebekka zum Lachen. »Weiß nicht, der hatte nur so was kosmopoli… kosmopol…, also, der war irgendwie so ein Reisender wie du und hat mir mal so richtig die Augen geöffnet, was es da draußen noch so alles zu sehen gibt.«
    Â»Das ist mir bei dir ja noch nie gelungen!«
    Â»Du bist ja auch meine Brandenburgtante.«
    Â»Vielleicht war es ein Vertreter, der Reisen verkauft?«
    Â»Wenn ja, dann ein guter. Aber es geht nicht um ihn.«
    Â»Nicht von deinem Ufer?«
    Â»Und selbst wenn er von meinem Ufer, dort aber hinterm Busch versteckt, wäre, ginge da nichts. Nicht mein Typ und zu alt. Aber der kannte sich irgendwie überall aus, nicht nur in Afrika … Ich glaube, dort ist eher mein Unterbewusstsein hängen geblieben.«
    Sie waren auf Rebekkas Etage, er brachte sie noch zur Tür.
    Â» Roots Bar . Dann weißt du, ob du noch fahren willst.«
    Â»Okay. Verstanden. Ich nehme dich mit.«
    Â»Nach Südafrika?«
    Â»In die Bar, du Träumerin!«

Kapitel 40
    Obwohl Jörn nicht überrascht gewirkt hatte, als Rebekka ihn anrief und schnell in eine Verabredung einwilligte, wusste sie nicht so recht, was für ein Mensch sie erwartete. Und dann saßen sie eine halbe Stunde lang nur nebeneinander, während die Stadt dem Zug ihr hässliches Hinterteil zuwandte.
    Es schien ihn aber nicht zu stören, dass Rebekka neben ihm saß. Manchmal spürte sie seinen Körper an ihrer Seite, wenn die Bahn in den Schienen ruckelte oder um eine Kurve fuhr und sie aneinandergedrückt wurden wie beim Schunkeln in einer Kneipe. Während sie schweigend saßen, tastete sich Rebekka kurz gedanklich an Jörn heran. Der Tod des Vaters schien in ihm einen seelischen Zusammenbruch ausgelöst zu haben. Vielleicht hatte er etwas beobachtet und warf sich nun vor, nicht gehandelt zu haben. Es könnte der Grund für sein seltsames Verhalten sein, den ganzen Tag mit der Ringbahn um Berlin zu fahren und Menschen zu beobachten, als wollte er in deren Leben schlüpfen und damit seinem eigenen entkommen. Alle machten sich große Sorgen um ihn, doch die Sorge der anderen schien ihn nicht zu erreichen.
    Jörns rötliche Pilzkopffrisur wirkte irgendwie künstlich. Die Haare waren strähnig und ungekämmt. Seine grünen Augen schauten müde und sahen aus wie blindes Fensterglas. Ihn umgab eine Aura wie ein ausgetrockneter Salzsee, bei dem nur wenige Regentropfen genügten, damit Flamingos das Ufer besiedelten.
    Â»Was starrst du mich so von der Seite an?«
    Rebekka erwachte aus ihrem Tagtraum.
    Â»Entschuldige.«
    Er

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