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Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Titel: Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Sillitoe
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meinen, daß wir saubere Arbeit geleistet hatten, wie's nicht besser ging, und daß, wo die Bäckerei mindestens eine Meile von unsrer Gegend weg lag und uns niemand gesehn hatte und bei dem Nebel und wo wir nicht länger als fünf Minuten dort gebraucht hatten, daß da die Polente niemals imstande war, uns auf die Spur zu kommen. Aber da hättet ihr euch geschnitten, ich hätt mich geschnitten und jeder andre auch, egal, wie oft wir bei der Verteilung der Phantasie »Hier!« geschrien haben.

    Immerhin haben Mike und ich das Geld nicht gleich verpulvert, weil das die Leute sofort drauf gebracht hätt, daß wir irgendwas gegriffen haben, was uns nicht gehört. Das würde überhaupt nichts einbringen, weil es sogar auf einer Straße wie unsrer Leute gibt, die der Polente gern einen Gefallen tun, obwohl ich nie begreife, warum. Auch wenn sie bloß zwei Pennies mehr in der Tasche haben als du, sind manche Leute so gemein, falls sie dich für die Sorte halten, die sie ihnen bei der geringsten Gelegenheit stiehlt, daß sie dich einlochen lassen würden, wenn sie dich Bleirohr aus einer Toilette rausreißen sahn - auch wenn's nicht ihre eigne ist -, bloß damit ihre zwei Pennies vor dir sicher sind. Und deshalb haben wir's nicht ans Licht kommen lassen, wie reich wir waren, sind nicht etwa in die Stadt gegangen und in nagelneuen Teddy-Anzügen und mit einem Schlagzeug wiedergekommen wie ein halbes Jahr vorher ein Kumpel von uns, der ein Fabrikbüro ausgeräumt hat. Nein, wir steckten uns das Kleingeld ein, bündelten die Scheine zusammen und stopften sie draußen im Hof in das Regenrohr neben der Tür. »Niemand kommt auf die Idee, dort nachzusehen«, sagte ich zu Mike. »Ein oder zwei Wochen lassen wir's liegen und holen uns jede Woche ein paar Pfundscheine, bis es alle ist. Wenn wir Drecksäcke schon klauen, deshalb sind wir noch lange nicht naiv.«

      Einige Tage drauf klopfte ein Geheimer bei uns. Und fragte nach mir. Ich lag um elf noch im Bett und mußte mich aus den gemütlichen schwarzen Decken rollen, als ich Mama rufen hörte. »Ein Mann will dich sprechen«, sagte sie. »Mach schnell, sonst geht er wieder.«

      Ich hörte, wie sie ihn an der Hintertür mit ihrem Geplapper darüber festhielt, wie schön das Wetter war, aber daß es seit dem frühen Morgen nach Regen aussah - und er antwortete nicht, raunzte nur ein gereiztes Ja oder Nein. Ich kroch in meine Hosen und fragte mich, was der wollte - daß er von der Polente war, wußte ich, weil »Ein Mann will dich sprechen« in unsrer Familie genau das bedeutete -, und wenn ich eine Ahnung gehabt hätte, daß zur selben Zeit auch einer zu Mike gegangen war, hätt ich's mir zusammenklamüsert, daß es wegen dem Papier im Werte von hundertfünfzig Pfund da draußen im Regenrohr neben der Hintertür war, keine zehn Zoll vom Stiefel des Geheimen entfernt, wo Mama immer noch mit ihm sprach und glaubte, sie tut mir einen Gefallen damit, und ich wünschte weiter nichts, als daß sie ihn reinbittet, obgleich mir nach genauer Überlegung klar war, daß das noch verdächtiger war, als ihn draußen stehn zu lassen, denn die wissen doch, daß wir sie gefressen haben, und würden Lunte riechen, wenn sie den Eindruck hätten, wir versuchen's auf die weiche Tour. Mama ist nicht von gestern, dachte ich, als ich die knarrenden Stufen runterpolterte.

    Den kannte ich schon: Borstal-Bernard mit zerbeultem Hut, Erziehungsheim-Edwin in Eintänzertrittchen, Bewährungs-Billy im billigbesten Regenmantel, Drei-Monate-Kittchen mit Schlips und Kragen (das ist alles aus einer Borstal-Jazzballade, die mein neuer Kumpel gemacht hat, und ich würde sie euch ganz hersagen, aber sie gehört nicht zu der Geschichte), ein Kriminal, der noch nie so viel in den Taschen hatte wie das Regenrohr in seinen Buchsen. Im Gesicht sah er wie Hitler aus, bis zu dem Malerbürstenbart, bloß daß er bei seiner Länge von einsachtzig noch schlimmer schien. Aber ich baute mich vor ihm auf und schaute ihm in die unwissenden blauen Augen - wie ich das bei jedem Bullen mach.

      Dann fing er an, Fragen zu stellen, und meine Mutter sagte hinter mir: »Die letzten drei Monate ist er nicht vom Fernseher weggegangen, also können Sie von dem nichts wollen, mein Freund. Da gucken Sie sich lieber nach einem andren um, denn wenn Sie hier so rumstehn, vergeuden Sie bloß die Steuern, die Sie von meiner Miete kriegen, und die Einkommensteuer, die aus meiner Lohntüte kommt« - was ja ein Witz war, denn soviel ich

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