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Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Titel: Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Sillitoe
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ich, »verbinde mal mit meinem Anwalt, ja?«

      »Du bist gescheit, was?« sagte er sehr unfreundlich. »Aber wir geben keine Ruhe, bis wir das alles aufgeklärt haben.«

      »Hören Sie«, bat ich, als würde ich gleich losheulen wie ein Schloßhund, weil er mir unrecht tat, »das ist ja ganz schön, daß wir uns so unterhalten, das ist fast wie ein Spielchen, aber ich wär froh, wenn Sie mir mal verraten würden, worum's überhaupt geht, weil ich wahrhaftigen Gotts eben aufgestanden bin, und hier stehn Sie an der Tür und reden davon, daß ich einen Haufen Geld geklaut hab, Geld, von dem ich überhaupt nichts weiß.«

      Jetzt fuhr er rum, als wenn er mich ertappt hätte, obwohl ich nicht begriff, wie er da drauf gekommen sein soll. »Wer hat was von Geld gesagt? Ich nicht. Wieso fängst du in der kleinen Unterhaltung, die wir haben, auf einmal von Geld an?«

      »Sie haben davon angefangen«, antwortete ich und dachte, jetzt kriegt er einen Rappel und wird gleich Schaum vorm Maul haben, »Sie haben weiter nichts als Geld im Kopf, wie alle Polizisten. Und auch Bäckereien.«

      Er verzog das Gesicht. »Ich möchte eine Antwort von dir: Wo ist das Geld?«

      Aber langsam kriegte ich das satt. »Ich mache ein Geschäft mit Ihnen.«

      Nach seinem Blitzlichtbirnengesicht zu urteilen, dachte er, jetzt käme plötzlich was für ihn. »Was für ein Geschäft?«

    Also sagte ich zu ihm: »Ich geb Ihnen das ganze Geld, das ich hab, ein Shilling viereinhalb Pence, wenn Sie mit diesem Folterverhör Schluß machen und mich frühstücken gehn lassen. Wirklich, ich komm um vor Kohldampf. Seit gestern hab ich keinen Bissen mehr gegessen. Hören Sie nicht meinen Magen knurren?«

      Da blieb ihm das Maul offen, aber weiter ging's, noch eine halbe Stunde quetschte er mich aus. Routinefragen, wie's im Film heißt. Aber ich wußte, ich siege nach Punkten.

      Dann ging er, kam aber am Nachmittag wieder, um Haussuchung zu machen. Nichts fand er, keinen blanken Heller. Wieder stellte er mir Fragen, und ich hab ihm nichts als Lügen, Lügen aufgetischt, denn das kann ich ewig, ohne mit der Wimper zu zucken. Er konnte mir nichts beweisen, und das wußten wir beide, sonst wär ich nämlich ruckzuck auf dem Rathaus gewesen, aber er machte weiter mit dem Weitermachen, weil ich schon mal wegen einer Mauerkletterei im Erziehungsheim gewesen war; und Mike haben sie durch dieselbe Mühle gedreht, weil die ganzen Bullen von unsrer Gegend wußten, daß er mein bester Freund war.

      Wie es dunkel wurde, saßen Mike und ich bei gedämpftem Licht in unserm Wohnzimmer, der Fernseher war ausgeschaltet, Mike machte es sich im Schaukelstuhl bequem, ich hing auf dem kleinen Sofa, und wir rauchten eine Schachtel Woodbines. Bei verriegelter Tür und zugezogenen Vorhängen redeten wir von dem Zunder, den wir in das Regenrohr gestopft hatten. Mike meinte, wir sollten das Zeug rausholen und beide für längere Weile in die Arkaden von Skegness oder Cleethorpe verschwinden und in einer Pension am Hafendamm wie die Fürsten leben, da hätten wir wenigstens beide mal einen richtigen draufgemacht, bevor wir eingeliefert werden.

      »Hör zu, du dämliches Kalb«, sagte ich, »wir werden überhaupt nicht geschnappt, und das Leben werden wir genießen, später.« Wir waren so raffiniert, daß wir nicht mal ins Kino gegangen sind, obwohl wir gern wollten.

    Am Morgen verhörte mich das alte Hitlergesicht wieder, diesmal mit einem seiner Kumpel, und am nächsten Tag kamen sie auch und versuchten alles mögliche, um aus mir was rauszukriegen, aber ich gab keinen Fingerbreit nach. Ich weiß, das ist Angabe, wenn ich das sag, aber ich war ihm gewachsen, und bei so einer Fragerei werde ich nicht weich, egal wie lange es dauert. Das Haus haben sie auch zweimal durchsucht, so daß ich schon dachte, die glaubten vielleicht wirklich, einen Anhaltspunkt zu haben, aber jetzt weiß ich, sie hatten keinen und alles war bloß leere Vermutung. Auf den Kopf gestellt haben sie das Haus, wie bei einem Socken das Innere nach außen gekehrt, haben's von oben nach unten und von vorn nach hinten durchkämmt, aber natürlich nichts gefunden. Der Bulle steckte seine Visage sogar in den Kamin im Vorderzimmer (der seit Jahren nicht benutzt und nicht gefegt worden war), und wie er wieder rauskam, sah er aus wie Al Jolson, so daß er sich im Spülbecken sauberplanschen mußte. Dauernd haben sie an dem Topf der großen Aspidistra rumgeklopft und rumgefummelt, die

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