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Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Titel: Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Sillitoe
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Oma unsrer Mama überlassen hat, haben sie vom Tisch hochgehoben, um unter die Tischdecke zu schauen, und beiseite gestellt, um den Tisch wegzurücken und an die Dielen unter dem Stück Teppich ranzukommen - aber die dicktuerischen, dämlichen, blöden Dreckskerle sind nie auf die Idee gekommen, die Erde aus dem Pflanzentopf rauszumachen, da hätten sie die zerknautschte Geldkassette gefunden, die wir in der Nacht, wo wir das Ding gedreht haben, dort vergraben haben.

      Ich nehm an, die steckt noch drin, wenn ich mir's jetzt überlege, und ich nehm an, Mama wundert sich manchmal, wieso die Pflanze nicht mehr so gedeiht wie früher - als ob sie das könnte, wo ihre Eingeweide in eine Faustvoll dickes schwarzes Blech gewickelt sind.

    Das letztemal klopfte er bei uns an einem regnerischen Morgen fünf Minuten vor neun, und wie üblich schlief ich wie ein Ratz in meinem molligen Bett. Mama war den Tag auf Arbeit, weshalb ich ihm zurief, er soll einen Augenblick warten; dann ging ich runter nachsehen, wer's war. Da stand er wieder, einsachtzig groß und vollkommen durchnäßt, und zum erstenmal in meinem Leben machte ich was Gehässiges, was ich mir nie verzeihn werde: Ich forderte ihn nicht auf, ins Haus zu treten, denn er sollte sich von mir aus im Regen eine doppelseitige Lungenentzündung holen, daß er draufgeht. Ich nehm an, er hätt an mir vorbei reingehn können, wenn er gewollt hätte, aber vielleicht war er's gewöhnt, seine Fragen an der Tür zu stellen, und wollte keine Zeit mit dem Reinkommen verschwenden, obwohl's regnete. Nicht daß ich aus irgendeinem dämlichen Prinzip nicht gern gehässig wär, aber dieses Stück Gehässigkeit, stellte sich raus, hat mir überhaupt nichts eingebracht. Hätt ich ihn doch bloß wie meinen Bruder behandelt, den ich zwanzig Jahre lang nicht gesehn hab, ihn auf eine Tasse Tee und eine Zigarette reingezerrt, ihm was über den Film vom letzten Abend erzählt, den ich nicht gesehn hab, und gefragt, wie's seiner Frau nach der Operation geht und ob sie ihr den Schnurrbart abrasiert haben, um ranzukommen, und ihn glücklich und zufrieden zur Vordertür wieder rausgeschickt. Aber nein, dachte ich, mal sehn, was er nun zu sagen hat.

      Er stellte sich an der Tür ein bißchen auf die Seite, entweder weil's da nicht so naß war oder weil er mich aus einem andren Winkel sehn wollte, denn vielleicht fand er's langweilig, in ein Gesicht zu gucken, das ihm ständig von derselben Seite Lügen auftischt.

      »Du bist erkannt worden«, sagte er und spritzte sich die Regentropfen aus dem Bart. »Gestern hat eine Frau dich und deinen Freund gesehn, und sie schwört Stein und Bein, daß ihr die Kerle seid, die sie in die Bäckerei steigen sah.«

      Ich war völlig sicher, daß er uns immer noch aufs Glatteis führen wollte, denn ich hatte Mike am Tag zuvor nicht mal gesehn, aber ich machte ein bekümmertes Gesicht.

    »Sie ist eine Bedrohung für Unschuldige, egal, wer sie ist, denn die einzige Bäckerei, in der ich in letzter Zeit war, ist die auf unserer Straße, wo ich für Mama Schnittbrot auf Pump geholt hab.«
      Er biß nicht an. »Deshalb will ich jetzt wissen, wo das Geld ist...« - als ob er von mir überhaupt keine Antwort gekriegt hätte.

      »Ich glaub, Mama hat's heut früh mit auf Arbeit genommen, damit sie sich in der Kantine einen Tee kaufen kann.« Es goß jetzt so sehr, daß ich dachte, er wird noch weggespült, wenn er nicht reinkommt. Aber ich hab mich nicht groß aufgeregt und sagte weiter: »Ich weiß noch, ich hab's gestern abend in die Vase auf dem Fernseher gesteckt - das war mein letztes, ein Shilling und drei Pence, die ich mir für heut früh für eine Schachtel Zigaretten weggelegt hab -, und ich denk, mich trifft der kalte Schlag jetzt eben, wie ich seh, daß es fort ist. Ich hab mich doch drauf verlassen, daß ich mit dem Geld heute hinkomme, denn ich glaube, ein Leben ohne Zigarette ist kein Leben, glauben Sie nicht auch?«

      Ich kam richtig auf Schwung und war allmählich gut in Form, denn mir ging auf, daß das meine letzte Lügenserie war, und wenn ich diesmal lange genug durchhielt, war ich mit den Dreckskerlen fertig: Mike und ich wären nach ein paar Wochen weg an die See und würden uns dort großartig amüsieren, Penny-Fußball spielen und uns zwei Nutten schnappen, die uns alles bieten würden, was sie konnten. »Und das Wetter ist nichts zum Kippensammeln auf der Straße«, sagte ich, »denn die sind dann ja tropfenaß. Klar, ich

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