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Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Titel: Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Sillitoe
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weiß, hat sie beides noch nie bezahlt und wird es hoffentlich auch nie tun.

      »Nun, du weißt, wo die Papplewick Street ist, nicht wahr?« fragte mich der Bulle, ohne von Mama Notiz zu nehmen.

      »Geht die nicht von der Alfreton Road ab?« fragte ich zurück, hilfsbereit und aufgeweckt.

      »Die halbe Straße runter ist linker Hand ein Bäcker, den kennst du doch?«

    »Ist denn der nicht neben einer Kneipe?« wollte ich wissen.

      Er antwortete scharf: »Nein, zum Donnerwetter.« Bullen kommen immer gleich so schnell aus der Fassung, und meist nutzt es ihnen gar nichts.

      »Dann kenn ich den nicht«, sagte ich zu ihm, vom Gong gerettet.

    Er scharrte mit dem großen Stiefel auf der Außenstufe immerfort im Kreise rum. »Wo warst du letzten Freitag abend?« Wieder im Ring, aber das war schlimmer als ein Boxkampf.

      Mir gefiel nicht, daß er mir was anhängen wollte, von dem er nicht genau wußte, ob ich's gewesen bin. »War ich vielleicht bei dem Bäcker, von dem Sie sprechen? Oder in der Kneipe nebenan?«

      »Du kriegst fünf Jahre Borstal, wenn du mir keine richtige Antwort gibst«, sagte er und knöpfte sich den Regenmantel auf, obwohl es dort kalt war, wo er stand.

      »Ich hab am Fernseher geklebt, wie Mama sagt«, beteuerte ich hoch und heilig.

      Aber er machte immer weiter mit seiner blödsinnigen Fragerei: »Habt ihr einen Fernseher?« So wie der fragte, hätt er kein kleines Kind aufs Glatteis geführt, und was hätt ich auf die letzte Frage schon andres sagen können als: »Ist wohl die Antenne runtergefallen? Oder wollen Sie reinkommen und ihn sich ansehn?«

      Nach der Antwort konnt er mich noch weniger leiden. »Wir wissen, daß du dir am letzten Freitag das Fernsehprogramm nicht angehört hast, und du weißt es genauso, nicht wahr?«

      »Vielleicht hab ich mir's nicht angehört, sondern angesehn, denn manchmal drehn wir spaßhalber den Ton weg.« Ich hörte Mama in der Küche lachen, und ich wünschte, Mikes Mama lachte auch, falls die Polente auch zu ihm gegangen war.

      »Wir wissen, daß du nicht zu Hause warst«, sagte er und startete wieder, indem er seinen Motor mit der Türklinke anwarf. Die sagen immer›wir‹,›wir‹, niemals›ich‹,›ich‹- als ob sie mehr Mut haben und sich mehr im Recht fühlen, wenn sie dran denken, daß sie so viele gegen einen sind.

    »Ich hab Zeugen«, sagte ich zu ihm. »Mama als erstes. Als nächstes ihr Liebster. Reicht das? Ich kann Ihnen noch ein Dutzend mehr besorgen, oder mit Zugabe zusammen dreizehn, falls es ein Bäcker war, bei dem eingebrochen wurde.«
      »Ich verbitte mir die Lügen«, sagte er, ohne den Witz mit dem Bäckerdutzend zu kapieren. Wo lesen die überhaupt die Bullen auf? »Ich will weiter nichts, als von dir hören, wo du das Geld versteckt hast.«

      Bloß die Ruhe bewahren, sagte ich mir dauernd, bloß die Ruhe bewahren - und ich hörte, wie Mama Tassen und Untertassen hinstellte und die Pfanne für den Speck auf den Ofen setzte. Ich trat zurück und winkte ihn wie ein Hausdiener rein. »Kommen Sie und durchsuchen Sie das Haus. Wenn Sie einen Durchsuchungsbefehl haben.«

      »Hör zu, mein Bürschchen«, sagte er, ganz der großmäulige emporgestiegene dreckige Scheißkerl, der er war, »ich hab bald genug von deiner Unverschämtheit; wenn wir dich ins Rathaus bringen, wirst du wohl für die Schwierigkeiten, die du machst, ein paar grüne Flecke und ein blaues Auge kriegen.«

      Und ich wußte, der macht deshalb noch lange keinen Spaß, denn ich hatte von den üblen Methoden dort schon gehört. Aber ich hoffe, daß er und alle seine Freunde eines Tages diejenigen sind, die die Tritte und die blauen Augen kriegen; kann man nie wissen. Das kann schneller passieren, als man denkt, wie in Ungarn.

      »Sag mir, wo das Geld steckt, und ich sorg dafür, daß du mit Bewährung davonkommst.«

      »Welches Geld?« fragte ich ihn, weil ich die Masche auch schon kannte.

    »Du weißt, welches Geld.«

      »Seh ich aus, wie wenn ich überhaupt was von Geld versteh?« sagte ich und steckte die Faust durch ein Loch in meinem Hemd.

      »Das Geld, das geklaut wurde, über das du genau Bescheid weißt«, sagte er. »Mich kannst du nicht verkohlen, also versuch's nicht erst.«

    »Waren es drei Shilling und achteinhalb Pence?« fragte ich.
      »Du Ausgeburt von Dieb. Wir bringen dir das schon noch bei, Geld stehlen, das dir nicht gehört.«

      Ich nahm den Kopf rum. »Mama«, rief

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