Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)
Linie…
»Hallo, Onkel Paolo.« Ich lächle und hoffe, dass er mir meine Nervosität nicht ansieht. Strauss und Laszlo ignoriere ich. Wenn sie kein Interesse daran haben, mit mir zu reden, habe ich auch kein Interesse daran, mit ihnen zu reden. Ich bestehe ihren kleinen Test, aber dabei brauchen wir ja keine Freunde zu werden.
»Hallo, Pia. Sylvia.« Er nickt meiner Mutter zu.
»Wir sollten anfangen«, sagt Strauss kühl.
Onkel Paolo geht voraus zum hinteren Teil des Tierhauses. Ich erwarte, dass das Corpus-Duo ihm folgt, doch die beiden warten, bis Mutter und ich uns in Bewegung setzen, dann folgen sie uns wie Jaguare, die ihre Beute belauern.
Ich ahne, welchen Käfig Onkel Paolo ansteuert, und mein Magen krampft sich zusammen. Ich hoffe, er biegt um die Ecke, bleibt vor dem Tarantel- oder Schlangenterrarium stehen, aber er geht weiter – und bleibt vor dem Ozelotkäfig stehen, genau wie ich befürchtet habe.
Ich sehe Jinx mit ihrem Jungen, das Onkel Jonas Sneeze getauft hat. Jinx ist dreiundsiebzig Jahre alt, unser einziger unsterblicher Ozelot. Sie wurde mit einem sterblichen Männchen gepaart, dem kurz zuvor eine Dosis Immortis injiziert worden war. Es war ein Experiment. Die Wissenschaftler hatten gehofft, ihr Nachwuchs würde Spuren von Elysia in sich tragen. Doch Sneeze wurde vollkommen normal geboren, ein weiterer Beweis dafür, dass ein Unsterblicher sich mit einem anderen Unsterblichen paaren muss, wenn ihre Unsterblichkeit an den Nachwuchs weitergegeben werden soll.
Jinx und Sneeze liegen neben ihrem Wassernapf und Jinx fährt mit ihrer rauen Zunge über Rücken und Kopf des Kleinen. Er maunzt sie ärgerlich an und lässt dann sein typisches Niesen hören, das ihm seinen Namen gegeben hat. Sie sehen so friedlich aus, dass ich auf der Stelle weglaufen möchte, bevor Onkel Paolo mir sagen kann, worin der Test heute besteht. Aber das geht nicht. Ich muss ans Immortis-Team denken und an den Platz, der dort für mich reserviert ist – falls ich den Test bestehe.
»Pia«, beginnt Onkel Paolo, nachdem er einen Blick auf das Blatt an der Wand geworfen hat, auf dem Sneezes Entwicklung festgehalten wird, »sag mir, was wir hier haben.«
Ich lese das Blatt und fasse zusammen: »Sneeze –«
»Objekt 294, Pia. Oder, wenn dir das lieber ist, junger männlicher Ozelot. Aber nicht Sneeze. Gib deinen Objekten nie einen Namen, Pia.« Er sieht Strauss kurz von der Seite an, als hätte er Angst, sie könnte uns anspringen.
Und was ist mit Testperson 77? Der hast du selbst ihren Namen gegeben.
»Richtig. Objekt 294 ist ein männlicher Ozelot, Leopardis pardalis, vier Wochen und drei Tage alt. Objekt 294 wurde positiv auf das feline Immunschwäche-Virus getestet, das es von seiner Mutter, Objekt 282 geerbt hat, aber ausgesprochen gut zu tolerieren scheint.« Die bei Katzen auftretende Form von HIV, FIV, ist normalerweise nicht tödlich und zeigt sich oft erst nach Jahren.
»Ausgezeichnet, ausgezeichnet«, murmelt Onkel Paolo. »Du kannst dir jetzt sicher schon denken, welcher Art dieser Test sein wird, Pia.«
»Ja«, antworte ich leise. Ich spüre, dass Onkel Jonas und Tante Harriet jetzt auch herüberschauen, aber ich konzentriere mich ganz auf Sneeze. Er versucht mit den Pfoten den hin und her zuckenden Schwanz seiner Mutter zu fangen, was ihm jedoch nicht gelingt.
»Dies ist dein letzter Wickham-Test, Pia.«
»Der letzte?« Ich tue mein Bestes, überrascht zu wirken. Strauss beobachtet mich mit Argusaugen.
»Ja. Wenn du diesen Test bestehst, wirst du zu einem vollwertigen Mitglied des Elysia-Forschungs-Teams und erfährst die geheime Formel, der du deine eigene Existenz zu verdanken hast.«
»Immortis«, flüstere ich.
Er nickt. »Deshalb ist dieser Test so ungeheuer wichtig. Ich möchte, dass du es dir gut überlegst. Du musst dir absolut sicher sein, dass du bereit dafür bist. Danach gibt es kein Zurück mehr, Pia.«
»Okay.«
Er gibt mir eine Spritze. »Pentobarbital«, sagt er nur.
Von weiter vorn auf dem Flur höre ich, wie Tante Harriet scharf die Luft einzieht. Mir rutscht das Herz in die Hose. Ich war auf etwas Schlimmes gefasst, aber nicht auf etwas so Schlimmes. »Ich soll…« Die Worte bleiben mir im Hals stecken. Ich kann das Ozelotbaby nicht mehr anschauen. »Aber das Virus beeinträchtigt ihn nicht! Er könnte ein vollkommen normales Leben führen –«
»Und das Virus an seine Nachkommen weitergeben«, unterbricht mich Onkel Paolo. »Dr. Zingre forscht über einen Impfstoff gegen
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