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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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doch nur bei Eio! Jetzt in diesem Augenblick.
    Es drängt mich mit aller Macht. Ich muss hier weg. Wenigstens für ein paar Stunden. Ich muss den Kopf freibekommen, meine sachliche Denkweise wiedererlangen. Der Zaun um Little Cam scheint sich zuzuziehen, mich zu erdrücken und mir die Luft abzuschnüren, sodass ich nicht mehr atmen kann. Dahinter lockt die Weite des Dschungels.
    Ich merke, dass ich als Einzige noch am Tor stehe. Alle anderen sind in ihre Labors oder Wohnbereiche gegangen, wahrscheinlich um über den Corpus-Besuch nachzugrübeln und darüber, was er für die Zukunft von Little Cam bedeutet. Ich mache mich auf die Suche nach Tante Harriet und finde sie in ihrem Labor. Sie sitzt über ein Foto gebeugt am Tisch.
    »Tante Harriet?«
    Sie strafft die Schultern, dreht sich um und lässt dabei das Foto in ihrer Tasche verschwinden. Ihre Augen sind rot, als habe sie geweint. »Oh, Pia.«
    »Alles… okay?« Unsicher bleibe ich in der Tür stehen.
    »Natürlich ist alles okay.« Sie fährt sich mit dem Handrücken über die Augen. »Was gibt’s?«
    »Ich muss für ein paar Stunden raus. Hast du irgendwelche Ideen außer den Jeeps?«
    »Pia…« Sie greift sich ins Haar und schließt die Augen. »Das ist jetzt wirklich kein guter Zeitpunkt. Alle sind völlig fertig wegen dieser ganzen Corpus-Geschichte. Das macht sie unberechenbar. Außerdem haben sie den Druck auf mich erhöht. Bis zum Ende des Jahres wollen sie lebensfähige Klone von unsterblichen Ratten haben. Im Moment habe ich wirklich keine Zeit, dich vom Gelände zu schmuggeln und wieder zurück.« Sie öffnet die Augen und schaut mich erschöpft an. »Es tut mir leid. Warte ein paar Tage, bis sich alles wieder eingependelt hat.«
    Einen Augenblick lang zögere ich, dann nicke ich langsam und gehe, ohne zu antworten, den Flur hinunter. Offensichtlich steht Tante Harriet unter genauso viel Stress wie Onkel Paolo.
    Gut.
    Mir fällt schon selbst etwas ein, wie ich rauskomme.
    Ich gehe einmal um das Gelände herum und suche nach Löchern im Zaun. Es gibt keine. Ich sehe sogar Stellen, an denen Onkel Timothy ihn hat verstärken lassen, wahrscheinlich an dem Tag, an dem mein ursprüngliches Fluchtloch entdeckt wurde. Ich werde einen Weg finden. Er muss nur höher liegen.
    Der elektrisch geladene Maschendraht endet ungefähr fünf Meter über dem Boden. Die waagerechten Eisenstäbe liegen noch höher. Rein hypothetisch könnte ich am Zaun hinaufklettern, da der Strom mir nichts anhaben kann. Aber wehtun würde es schon und wahrscheinlich käme ich nicht einmal bis zur Hälfte, bevor meine Hände instinktiv loslassen würden. Außerdem wäre zu dem Zeitpunkt bereits der Alarm im Wachraum losgegangen und Onkel Timothys Männer wären innerhalb von Sekunden hier.
    Innerhalb von Sekunden.
    Der Strom pulsiert alle 1,2 Sekunden durch den Zaun. Das bedeutet, dass ich es – theoretisch – schaffen könnte, wenn ich sehr, sehr schnell wäre. Aber ich bezweifle, dass ich fünf Meter überklettern könnte, selbst wenn ich all meine Kräfte zusammennehme. Wenn ich allerdings nicht die ganzen fünf Meter zu klettern bräuchte…
    Ich laufe am Zaun entlang bis zum Werkstattgebäude. Es ist der am weitesten abgelegene Teil von Little Cam… und der am wenigsten gepflegte. Mitten im Gestrüpp steht ein Korallenbaum. Die unteren Äste hängen dicht über dem Boden und sind weit ausladend. Seine vielen leuchtend roten Blüten gleichen Tukanschnäbeln.
    Perfekt.
    Ich klettere wie ein Affe, indem ich die Füße genauso einsetze wie die Hände. Als ich auf derselben Höhe bin wie das obere Ende des Maschendrahts, halte ich inne. Ich könnte noch höher klettern und die Stangen über dem Maschendraht anvisieren, aber sie sind zu glatt. Wahrscheinlich würde ich abrutschen und sieben Meter tief fallen. Ich werde springen müssen, mich am Maschendraht festkrallen, hinüberklettern und auf der anderen Seite hinunterspringen, und das alles in weniger als 1,2 Sekunden.
    Der Ast, auf dem ich kauere, ist ziemlich dick. Ich halte mich mit beiden Händen fest, schließe die Augen und atme möglichst langsam. Und lausche.
    Onkel Paolo hat mein Gehör unzählige Male getestet, aber noch nie habe ich mich so darauf konzentriert. Alle irrelevanten Geräusche blende ich aus – kreischende Kapuzineräffchen, der Wind in den Blättern, das Schlagen meines eigenen Herzens – und konzentriere mich auf das leiseste aller Geräusche: das kaum wahrnehmbare Sirren der Elektrizität, die durch den

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