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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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unter mein Kinn und dreht meinen Kopf vorsichtig so, dass unsere Blicke sich treffen. Er nimmt eine meiner Haarsträhnen zwischen zwei Finger und streicht langsam daran entlang. »Ich will dich nicht verlieren, Pia-Vogel«, flüstert er.
    Er steht ganz dicht vor mir. Ich kann den Dschungel auf seiner Haut riechen, Bananen und Papayas, den Rauch der Feuer in Ai’oa, den Geruch der Erde und des Flusses. Er ist berauschend, sein Duft. Er schleicht sich in meine Adern und hämmert in meinem Herzen, aufpeitschend und gleichzeitig beruhigend. Ich könnte einmal um den Äquator laufen oder bis in alle Ewigkeit hier stehen bleiben. Welches von beiden spielt keine Rolle, Hauptsache Eio ist an meiner Seite.
    Und welche Art von Wissenschaft ist das?
    »Komm mit«, bittet er. »Ich möchte dir etwas zeigen.«
    Er führt mich ein kurzes Stück den Fluss hinunter, wo etliche Meter vom Ufer entfernt der größte Kapokbaum wächst, den ich je gesehen habe. Seine Brettwurzeln überragen uns um fast zwei Meter und der Stamm ist unten so groß wie mein Zimmer im Glashaus. Eio führt mich um den Baum herum zu einer Stelle, wo eine Wurzel einen Bogen beschreibt, bevor sie im Boden verschwindet, und so eine Höhle bildet. Moos fällt wie ein Vorhang darüber. Eio zieht es zur Seite, sodass wir hineingehen können. Auch wenn wir aufrecht stehen, verläuft die Wurzel noch einen guten Meter über unseren Köpfen. Das Moos filtert das Sonnenlicht und lässt unsere Haut leicht grünlich aussehen.
    »Schau.« Eio streicht mit der Hand über die Unterseite der Wurzel. Ein Herz ist in die Rinde geritzt, so groß wie seine Hand.
    »Hast du das gemacht?«, frage ich und zeichne die Umrisse mit dem Finger nach.
    Er schüttelt den Kopf. »Meine Eltern.«
    Ich presse meine Hand auf das Herz. »Wie lange ist das her?«
    »Es war vor meiner Geburt. Aber meine Mutter hat es mir kurz vor ihrem Tod gezeigt.«
    »Woran ist sie gestorben?«
    Er beißt die Zähne zusammen und sein Blick wird kalt. »Achiri hat gesagt, es sei Malaria gewesen. Aber ich habe Malariakranke gesehen. Das war ganz anders.« Er lehnt sich an den Stamm und lässt die Arme hängen. »Mein Vater hat uns nicht mehr besucht. Ich war noch sehr klein damals und kann mich an nicht mehr viel erinnern. Ich weiß nur noch, dass ihre Augen stumpf wurden und sie nicht mehr geredet hat. Sie ging zum Dorf der Wissenschaftler und wartete vor dem Zaun mit den Blitzen, aber er kam nicht. Danach ist sie immer schwächer geworden. Sie starb an gebrochenem Herzen. Sie starb, weil sie keine Hoffnung mehr hatte, dass er je zurückkommt.«
    »Aber er ist doch zurückgekommen. Du hast gesagt, er besucht dich regelmäßig.«
    »Als er wiederkam, war es zu spät. Sie war tot.« Er blickt auf den Boden. Ich sehe, wie die Ader an seinem Hals pulsiert. »Er war sehr wütend, als er es erfuhr. Anfangs wollte er nichts mit mir zu tun haben. Mir war das egal. Ich war auch wütend auf ihn. In meinen Augen war er schuld an ihrem Tod. Dann kam er wieder regelmäßig nach Ai’oa, um mich zu besuchen. Er erzählte mir, er hätte versucht zu kommen, bevor Míma starb, aber die Wissenschaftler hätten es verhindert. Trotzdem… es hat lange gedauert, bis ich ihm verzeihen konnte.«
    Meine Hand liegt immer noch auf dem eingeritzten Herzen und Eio legt seine darüber.
    »Er hat meine Mutter geliebt«, flüstert er.
    Ich starre auf Eios Hand über meiner und auf die straff gespannten Sehnen in seinem Unterarm. Ich hebe den Kopf, damit ich ihm ins Gesicht schauen kann. »Und jetzt hast du Angst, dass ich dasselbe tue, nicht wahr? Dass ich dich verlasse oder dass sie mich wegbringen.«
    Er nickt und sein Blick brennt sich in meine Augen.
    »Ich werde dich nicht verlassen. Ich werde kommen, wann immer ich kann –«
    »Ist das hier ein Spiel für dich, Pia?«
    »Was?«
    »Dass du hierherkommst. Mich siehst. Was bin ich für dich? Ein Spielzeug? Eine nette Abwechslung?«
    »Eio –«
    »Ich will dich hierhaben, Pia. Hier . Nicht eingesperrt in einem Käfig. Nicht umgeben von elektrischen Zäunen und Glaswänden. Nicht wenn dir danach ist oder wenn du dich hinausstehlen kannst, sondern jeden Tag. Die ganze Zeit. Meinst du, es kann mit uns immer so weitergehen? Dass du dich hinausschleichst, wenn es möglich ist? Und ich ständig warte und mich frage, ob du wohl kommst oder nicht. Und wie lang du bleiben kannst. Und ob du überhaupt wiederkommst.«
    Ich schaue ihn sprachlos an.
    »Denn für mich ist es kein Spiel, Pia-Vogel. Ich

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