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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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Zaun pulsiert. Anfangs ist es lediglich ein monotones Rauschen, und wenn ich den Kopf auch nur einen Zentimeter drehe, höre ich es gar nicht mehr. Doch je länger ich lausche, desto deutlicher höre ich das Pulsieren. Sirr… sirr… sirr… Mein Gehirn prägt sich den Rhythmus ein. 1,2 Sekunden, wie ein Uhrwerk.
    Ich öffne die Augen, lausche aber weiter auf das Sirren. Ich spanne sämtliche Muskeln an, warte auf den richtigen Augenblick – und springe.

23
    Eine Zehntelsekunde, nachdem ich den Zaun losgelassen habe, zischt der nächste elektrische Stromstoß durch die Drähte. Ich lande gebückt auf der anderen Seite und sprinte ins Gebüsch. Mein Herz pocht gegen die Rippen, ich lehne mich an einen Baumstamm und lasse mich daran auf den Boden gleiten.
    Fast hätte ich den Alarm ausgelöst.
    Aber ich habe es geschafft.
    Mit wackligen Knien stehe ich auf und schaue zurück zum Zaun. Ich muss sicher sein, dass niemand meine Flucht bemerkt hat. Nachdem es mehrere Minuten lang still geblieben ist, beruhigt sich mein Puls und ich mache mich auf den Weg.
    Es ist an diesem Tag wärmer als sonst und mein Top ist in kürzester Zeit durchgeschwitzt. Das ununterbrochene Zirpen der Zikaden ist ohrenbetäubend und übertönt fast das Gezwitscher der Vögel. Je weiter ich in den Dschungel hineingehe, desto dunkler wird es. Das Sonnenlicht fällt in goldenen Bahnen durch den Blätterhimmel. Aus dem kühlen Schatten in einen dieser warmen Lichtkegel zu treten, ist wie der Übergang von der Nacht zum Tag, von Wasser ins Feuer.
    Ich habe Little Cam zwar verlassen, doch Onkel Smithys Worte verfolgen mich. Sie haften an mir wie ein Parfüm. Du bist unsere Hoffnung… enttäusche uns nicht… du bist unsere Hoffnung…
    Ich beginne zu laufen, als könnte ich das alles hinter mir lassen – Sneeze, Onkel Paolo, die Spritze –, wenn ich nur schnell genug wäre. Die Bäume fliegen geradezu an mir vorbei und ich bewege mich so mühelos, dass ich das Gefühl habe, mich überhaupt nicht zu bewegen. Es ist die Erde, die sich so rasant dreht, so waghalsig, völlig außer Kontrolle.
    Ich laufe so schnell, dass ich, als ich Ai’oa erreiche und stehen bleibe, noch ein Stück über den Boden schlittere und eine Staubwolke aufwirble.
    Eio steht mit den Männern und Jungen des Dorfes um ein Feuer herum. Einige halten in Blätter gewickelte Pfeilgiftfrösche in den Händen. Ich erfasse die ganze Situation kaum, laufe schnurstracks auf Eio zu, nehme seine Hand und flüstere: »Komm mit.«
    »Aber wir gehen auf die Jagd. Wir halten gerade die Sapo -Zeremonie ab.«
    Ich drücke seine Hand fester. »Bitte. Ich muss weg von allem, nur für ein paar Stunden.«
    Er nickt wortlos und gibt die schwelenden Stöcke, die er in der anderen Hand hält, an Burako weiter. Der blickt ihn missbilligend an. Wir machen uns auf den Weg zum Fluss. Die Ai’oaner flüstern und kichern, als wir an ihnen vorbeigehen, doch ich ignoriere sie. Sobald wir den Dorfsaum erreicht haben, beginne ich wieder zu rennen.
    »Pia!«, ruft Eio. »Was ist los?«
    »Komm!«
    Es ist nicht weit zum Fluss. Ich schlittere die Böschung hinunter und bleibe am Ufer stehen. Eio musste sich anstrengen, um mit mir Schritt zu halten, und stolpert fast ins Wasser. Ich packe ihn und ziehe ihn zurück.
    »Was ist los?«, fragt er noch einmal. »Ist etwas passiert?«
    »Nein. Nein, nur… ich musste weg.«
    »Haben sie dir etwas getan? Diese Fremden, haben sie dir etwas angetan? Wir haben sie wegfahren sehen. Vor einer Stunde sind sie in ihrem Motorboot den Fluss hinuntergefahren. Ich hatte schon Angst, sie hätten dich mitgenommen.« Er dreht sich so, dass er direkt vor mir steht. »Ich dachte, sie seien gekommen, um dich mitzunehmen.«
    »Nein, das wollten sie nicht. Zumindest nicht dieses Mal.« Ich starre ins Wasser. Braun und kupferrot gleitet es in der Sonne dahin.
    »Sie kommen wieder?«
    Nicht, wenn ich tue, was man von mir verlangt, und diesen letzten Test absolviere… »Nein. Vorerst nicht.«
    Er nickt, dann grinst er. »Hast du gesehen, was diese verrückte Karaíba anhatte? Alles aus weißem, dünnem Stoff. Ihre Sachen waren natürlich total verdreckt. Das war fast so bescheuert wie das Kleid, das du anhattest. Weißt du noch?«
    »Ich weiß es noch.« Ich versuche ein Lächeln, doch es erreicht meine Augen nicht. Noch bin ich zu aufgewühlt von dem Wickham-Test am Vormittag. Es fühlt sich schon jetzt entsetzlich an, dabei habe ich es noch nicht einmal getan.
    Eio legt die Fingerspitzen

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