Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)
will kein netter Zeitvertreib sein und kein Spielzeug. Ich möchte nicht ständig auf jemanden warten, der womöglich gar nicht kommt. Ich muss wissen, was du willst. Willst du eine ›Wissenschaftlerin‹ sein und da drin eingesperrt« – er zeigt in die ungefähre Richtung von Little Cam – »oder willst du bei mir sein und frei? Es kann nicht immer so weitergehen. Du kannst nicht beides haben.« Er nimmt meine Hand. »Pia-Vogel, du wirst dich entscheiden müssen.«
»Ich… ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht, Eio.« Ich spüre Tränen aufsteigen, blinzle sie weg und versuche Worte auf meine Lippen zu zwingen. »Ich will beides. Ich will dich. Ich will meine Unsterblichen. Ich will…« Ich will, ich will. Was will ich denn? »Ich möchte einen Ort, wo ich hingehöre«, flüstere ich schließlich.
»Du könntest nach Ai’oa gehören. Du könntest zu mir gehören.«
»Kann ich nicht. Weshalb verstehst du das nicht?« Frustriert und verwirrt halte ich inne, atme tief durch und beginne von vorn, langsam, damit er mich versteht. »Ich werde nie eine Ai’oanerin sein. Ich kann zwar im Dschungel leben, aber eine Fremde bleibe ich trotzdem. Ihr Ai’oaner gehört hierher. Der Dschungel liegt euch im Blut.«
»Das spielt keine Rolle. Wichtig sind nur du und ich. Der Rest ist nur Ablenkung.«
Nein, ist es nicht. Die Ablenkung bist du… und ich will mich ablenken…
»Eio, ich…«
Er nimmt meine Hand von der Wurzel und legt sie auf seine nackte Brust, über sein Herz. Ich halte den Atem an. Ich frage mich, ob er den Puls spürt, der durch mein Handgelenk jagt. Er ist genauso schnell wie sein Herzschlag.
»Kennst du das Ai’oa-Wort für Herz?«
Ich schüttle den Kopf.
»Es ist Py’a.« Wir stehen so dicht nebeneinander, er flüstert mir direkt ins Ohr und sein Atem streicht warm über meinen Hals. »Du bist mein Herz, Pia.«
Ich fahre mit der Zunge über die Lippen. Seit wann sind sie so trocken?
Mit der anderen Hand umfasst er meinen Hinterkopf, sodass ich ihn anschaue. »Kein Mensch kann ohne ein Herz leben und ich kann nicht ohne dich leben.«
Mir fällt absolut nichts ein, was ich erwidern könnte. Nichts von alldem ist in Dr. Falks Denkmodell oder in Onkel Paolos Lehrplan enthalten. Ich weiß nicht, was ich tun oder sagen soll. Auf solche Augenblicke wurde ich nicht vorbereitet. Niemand hat mir gesagt, dass so etwas passieren könnte. Onkel Paolo, Onkel Antonio, Mutter – niemand hat je ein Wort über ein solches Phänomen verlauten lassen. Dass die Haut Feuer fangen kann, wenn man so dicht beieinandersteht.
Dass man noch viel näher zusammenrücken möchte.
Ich nehme jede Einzelheit in seinem Gesicht wahr. Jedes Äderchen in seinen Augen. Jedes einzelne dunkle Haar, das sich auf seiner Stirn lockt. Der Schatten von Bartstoppeln am Kinn und über dem Mund. Sein Mund…
Eios Blick wandert langsam zu meinen Lippen, er beugt sich zu mir herunter…
»Da seid ihr!«, ruft eine dünne Stimme.
Eio und ich fahren auseinander. Das Moos wird zur Seite geschoben und Ami duckt sich drunter weg. Ihr Löwenäffchen klammert sich an ihrer Schulter fest. Es sieht ein bisschen grün im Gesicht aus, als sie auf und ab hüpft. »Wir haben dich gesucht, Eio. Die anderen sind bereit für die Jagd. Sie haben mich geschickt –« Sie hält inne und schaut uns an. Dann schleicht sich ein verschmitztes Lächeln auf ihr Gesicht. »Ich weiß, was ihr gemacht habt!«, kichert sie. Dann spitzt sie die Lippen, wendet sich ihrem Äffchen zu und macht Kussgeräusche.
»Wir haben überhaupt nichts gemacht«, widerspreche ich. Aber ich spüre, wie ich rot werde, als wollte mein Blut mich verraten. »Wir haben nur miteinander geredet. Komm, wir wollen doch nicht, dass Eio die Jagd verpasst.«
Ich schiebe das Moos zur Seite und blinzle in die Sonne. Eio und Ami folgen, wobei sie ihn an der Hand hinter sich herzieht. Seine Augen folgen mir, aber ich kann ihn nicht anschauen. Ich will nicht, dass er sieht, wie rot ich immer noch bin und dass ich immerzu schlucken muss. Mein Herz trommelt immerfort gegen meine Rippen. Ich weiche seinem Blick aus und gehe voraus zum Dorf.
Luri erwartet uns. Ihr dicker Bauch sieht aus, als würde er gleich platzen. Sie reicht mir einen Speer. »Du kannst zuschauen, wenn du möchtest.«
Ich schüttle den Kopf. »Nein danke, ich sollte nach Hause gehen.«
Sie kneift die Augen zusammen. »Ist alles okay, Pia-Vogel? Diese Jungen…« Sie wirft einen Blick auf Eio. »Manchmal… sind sie ein
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