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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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mußte.
    Sie hatte sich immer wieder das Gehirn zermartert, nach irgend etwas gesucht, das sie Ellie auf einem Silbertablett hätte präsentieren können, irgendeinem Beweisstück, das alles aufklären würde. Aber wer hätte Grund gehabt, schon so früh am morgen auf den Beinen zu sein?
    Ihr Vater. Schon allein der Gedanke beschämte Katie. Ihr Dad ging manchmal nachts in den Stall, um nach den Kühen zu sehen, die bald kalbten – aber er kam, um dabei zu helfen, Leben zu geben, nicht um es zu nehmen. Hätte er Katie mit einem Neugeborenen dort liegen sehen – nun, er wäre schockiert gewesen, wohl auch erzürnt. Aber für ihn wäre der Gerechtigkeit durch die Gemeinde Genüge getan worden, nicht durch seine eigenen Hände.
    Samuel. Wenn er früher als sonst zum Melken gekommen wäre, könnte er sie mit dem Neugeborenen im Stall gefunden haben. Hätte er dem Baby etwas antun können, bevor ihm klar wurde, was er da getan hatte? Unmöglich, dachte Katie, nicht Samuel. Er handelte nie im Affekt, er dachte langsam. Und er war zu ehrlich, um die Polizei zu belügen. Plötzlich hellte sich Katies Miene auf, weil ihr ein Alibi für Samuel einfiel: Er brachte ja immer Levi mit. Er hätte nicht lange genug allein im Stall sein können, um ein Verbrechen zu begehen.
    Aber damit war niemand mehr übrig – niemand außer Katie. Und jetzt, hier mitten in finsterster Nacht, zog sie den Quilt enger um sich und fragte sich, ob Dr. Polacci und Ellie nicht vielleicht doch recht hatten. Wenn man sich an etwas nicht erinnerte, lag das daran, daß es nie passiert war? Oder daran, daß man sich wünschte, es wäre nie passiert?
    Katie rieb sich die Schläfen. Allmählich sank sie in den Schlaf, fortgetragen von der Erinnerung an den hohen, dünnen Schrei eines Babys.
    Der Strahl der Taschenlampe fiel auf Ellies Gesicht und weckte sie. »Herrje«, murmelte sie, warf einen Blick zu Katie hinüber, die fest schlief, und trat dann ans Fenster. Falls Samuel gekommen war, um sich zu entschuldigen, wäre es nett gewesen, wenn er sich einen anderen Zeitpunkt ausgesucht hätte als ein Uhr morgens. Ellie spähte durch die Scheibe und sah, daß der Mann, der da vor dem Haus stand, Coop war.
    Sie zog sich rasch an und hastete hinunter. Als sie auf die Veranda trat, legte sie den Finger auf die Lippen und ging ein Stück vom Haus weg. Schließlich verschränkte sie die Arme vor der Brust und deutete mit dem Kinn auf die Taschenlampe. »Hat Samuel dir den Trick verraten?«
    »Levi«, antwortete Coop. »Der Junge ist prima.«
    »Bist du gekommen, um mir vorzuführen, daß du was von amischen Brautwerbungsritualen verstehst?«
    Er seufzte. »Ich bin hier, um mich zu entschuldigen.«
    »Mitten in der Nacht?«
    »Ich hätte ja angerufen, aber ob du’s glaubst oder nicht, die Fishers stehen nicht im Telefonbuch. Also mußte ich mir meine kleine Taschenlampe schnappen und die Sache persönlich in die Hand nehmen.«
    Ellie mußte ein Lächeln unterdrücken. »Verstehe.«
    »Nein, tust du nicht.« Er nahm ihre Hand und zog sie den Weg zum Teich hinunter. »Es tut mir ehrlich leid, daß es zwischen dir und Stephen nicht geklappt hat. Ich wollte dich nicht kränken.«
    »Es klang aber so.«
    »Du hast mir einmal weh getan, El. Sehr. Ich vermute, irgendwie wollte ich, daß du dich so mies fühlst wie ich mich damals.« Er verzog das Gesicht. »Nicht sehr klug von mir.«
    Ellie sah ihn an. »Ich hätte dich nicht gebeten, mir bei Katies Fall zu helfen, wenn ich gewußt hätte, daß du immer noch einen Groll gegen mich hegst, Coop. Ich hab gedacht, nach zwanzig Jahren wärst du drüber hinweg.«
    »Aber wenn ich drüber hinweg gewesen wäre«, wandte Coop ein, »würde das bedeuten, daß ich über dich hinweg wäre.«
    Ellie hatte das Gefühl, daß die Nacht um sie herum noch dunkler wurde. Verrückt, dachte sie, und das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Das ist doch verrückt. »Ich plädiere auf Unzurechnungsfähigkeit«, sagte sie hastig.
    Coop nickte, akzeptierte den jähen Themenwechsel. »Aha.«
    »Was heißt das?«
    Er schob sich die Taschenlampe unter den Arm, stopfte die Hände in die Taschen und ging weiter, so daß Ellie hinter ihm herlaufen mußte. »Du weißt, was das heißt, weil du es dir wahrscheinlich selbst schon gedacht hast. Katie ist nicht unzurechnungsfähig. Andererseits, als ihre Anwältin kannst du den Geschworenen wahrscheinlich weismachen, sie sei Queen Elizabeth, wenn du damit einen Freispruch erreichst.«
    »Was ist leichter zu

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