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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Überzeugung bei Gerichtsverfahren im ganzen Land vehement vertreten, wovon eine mit bunten Stecknadeln übersäte Landkarte der Vereinigten Staaten beredtes Zeugnis ablegte; jede Nadel stand für einen Prozeß, in dem er maßgeblich daran beteiligt gewesen war, einen Kriminellen hinter Schloß und Riegel zu bringen, der ansonsten dank mitleidiger Geschworener vielleicht davongekommen wäre.
    Außerdem wirkte er auf einer Farm völlig fehl am Platze.
    Im Vergleich zu Dr. Polacci war Dr. Riordan eine furchteinflößende Erscheinung. Selbst von der Küchentür aus, wo Ellie stand und zuhörte, konnte sie sehen, wie Katie zitterte.
    »Ms. Fisher«, sagte Riordan, nachdem er sich vorgestellt hatte, »ich bin im Auftrag der Anklagevertretung hier. Das bedeutet, daß alles, was Sie mir sagen, auch vor Gericht gegen Sie verwendet werden kann. Alles, was Sie sagen, wird protokolliert, es wird nichts vertraulich behandelt. Haben Sie das verstanden?«
    Ellie hörte, wie Riordan Katie nach der Geburt fragte und sie bat, die Ereignisse im Präsens zu schildern. »Es liegt da«, sagte Katie leise, »genau zwischen meinen Beinen.«
    »Ist es ein Junge oder ein Mädchen?«
    »Ein Junge. Ein klitzekleiner Junge.« Sie zögerte. »Er bewegt sich.«
    Ellie spürte, wie ihr Gesicht warm wurde.
    »Weint das Kind?« fragte Riordan.
    »Nein. Erst als ich die Nabelschnur durchschneide.«
    »Womit schneiden Sie sie durch?«
    »Mein Dad hat immer eine Schere gleich neben dem Kälberverschlag an einem Haken hängen. Die nehme ich dafür. Und dann ist auf einmal überall Blut, und ich denke, daß ich das nie wieder sauber kriegen werde. Ich drücke auf ein Ende der Nabelschnur und binde sie ab … mit Zwirn glaube ich. Dann fängt es an zu weinen.«
    »Das Baby?«
    »Ja. Es fängt an, laut zu weinen, richtig laut, und ich versuche, es an mich zu drücken, damit es still wird, aber das nützt nichts. Ich wiege es hin und her und halte ihm einen Finger hin, damit es dran nuckeln kann.«
    Ellie sank gegen die Wand. Sie stellte sich dieses zarte Neugeborene vor, an Katies Brust geschmiegt. Sie sah das kleine Gesichtchen vor sich, die durchscheinenden Augenlider, und plötzlich spürte sie ein Gewicht in ihren Armen, schwer wie eine verpaßte Gelegenheit. Wie konnte sie so etwas Unverzeihliches verteidigen? »Entschuldigung«, sagte sie laut und hastete in die Küche. »Ich brauche einen Schluck Wasser. Noch jemand?«
    Riordan war verärgert über die Unterbrechung und warf ihr einen bösen Blick zu. Ellie konzentrierte sich darauf, ein Glas zu füllen, ohne dabei zu zittern, nur einen winzigen Schluck zu trinken, bevor sie weiter zuhören mußte, wie ihre Mandantin den Tod des Babys schilderte.
    »Was passiert dann, Katie?« fragte Riordan.
    Katie kniff die Augen zusammen, schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Ich wünschte, ich wüßte es, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie gern ich es wüßte. Aber ich weiß nur noch, daß ich den Herrn bitte, mir zu helfen, und im nächsten Moment wache ich auf. Das Baby ist verschwunden.« Ellie beugte den Kopf über die Spüle. »Ein Wunder«, fügte Katie hinzu.
    Riordan starrte sie an. »Das soll ein Witz sein, stimmt’s?«
    »Nein.«
    »Wie lange waren Sie im Stall ohnmächtig?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht zehn, fünfzehn Minuten.«
    Der Psychiater verschränkte die Hände im Schoß. »Haben Sie das Baby während dieser Zeit getötet?«
    »Nein!«
    »Sind Sie sicher?« Sie nickte energisch. »Was ist dann mit ihm passiert?«
    Das hatte Katie noch keiner gefragt. Ellie sah, wie das Mädchen nach einer Antwort suchte, und ihr wurde klar, wie kurzsichtig das gewesen war. »Ich … weiß es nicht.«
    »Sie müssen sich doch irgendwelche Gedanken darüber gemacht haben. Schließlich hat jemand das Kind getötet, und Sie waren es ja angeblich nicht.«
    »Vielleicht … vielleicht ist es einfach gestorben?« stammelte Katie. »Und jemand hat es versteckt.«
    Ellie stöhnte innerlich auf. Und vielleicht legte Katies Unterbewußtes gerade ein freiwilliges Geständnis ab. »Was glauben Sie, was passiert ist?« fragte Riordan.
    »Vielleicht ist jemand reingekommen und hat es getötet.«
    »Finden Sie das wirklich wahrscheinlich?«
    »Ich – ich weiß nicht. Es war noch ziemlich früh …«
    »Es war mitten in der Nacht, würde ich sagen«, warf Riordan ein. »Wer hätte denn wissen können, daß Sie da waren und ein Kind zur Welt brachten?« Er beobachtete, wie sie sich mit der Frage abquälte.

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