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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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schlucken, Coop: daß eine verstörte junge Frau einen Aussetzer hatte und ihr Neugeborenes erstickt hat, ohne zu wissen, was sie tat – oder daß ein Fremder um zwei Uhr nachts in die Scheune kam, nachdem ein junges Mädchen zwei Monate zu früh entbunden hatte, und das Baby ermordete, während sie schlief.«
    »Auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren ist selten von Erfolg gekrönt, El.«
    »Auf begründete Zweifel zu plädieren ebenfalls, wenn jeder Zweifel unbegründet scheint.« Sie waren am Teich angelangt. Ellie sank auf die Bank und zog die Knie an. »Selbst wenn sie das Kind nicht getötet hat, kommt sie noch am ehesten frei, wenn die Geschworenen glauben, daß sie es getan hat, aber sich nicht dessen bewußt war, was sie tat. Eine einfühlsamere Verteidigung hab ich nun mal nicht.«
    »Was soll’s, Anwälte lügen andauernd«, sagte Coop.
    Sie schnaubte. »Das mußt du mir nicht sagen. Ich hab das schon so oft gemacht … ich kann gar nicht mehr sagen, wie oft.«
    »Und du kannst es verdammt gut.«
    »Ja«, sagte Ellie. »Ich weiß.«
    Coop griff nach ihrer Hand. »Und wieso macht es dir dann so zu schaffen?«
    Die Fassade bröckelte, die sie aufrechterhielt, seit sie Katie erzählt hatte, daß sie auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren würde, obwohl sie wußte, daß Katie nicht unzurechnungsfähig war.
    »Soll ich dir sagen, warum es dich quält?« sagte Coop. »Weil du damit zugibst, daß Katie es getan hat, auch wenn sie im Geiste auf dem Mars war. Und du hängst schon viel zu sehr an Katie, um das zugeben zu wollen.«
    Ellie rümpfte die Nase. »Du liegst völlig falsch. Du weißt doch, wie so ein berufliches Verhältnis ist – da haben persönliche Gefühle nichts zu suchen. Ich habe, ohne mit der Wimper zu zucken, Geschworenen erzählt, daß ein Kinderschänder eine Stütze der Gesellschaft ist. Ich habe einen Serienvergewaltiger wie einen Chorknaben aussehen lassen. Das ist mein Beruf . Was ich persönlich für meine Mandanten empfinde, hat nichts damit zu tun, was ich zu ihrer Verteidigung sage.«
    »Du hast absolut recht.«
    Ellie stockte verblüfft. »Ach ja?«
    »Ja. Hier geht es aber darum, daß Katie schon seit einer ganzen Weile aufgehört hat, lediglich eine Mandantin zu sein. Vielleicht sogar schon gleich zu Anfang. Sie ist mit dir verwandt, wenn auch nur entfernt. Sie ist sympathisch, jung, durcheinander – und du hast die Rolle der Ersatzmutter angenommen. Aber deine Gefühle für sie sind sehr vielschichtig, weil sie etwas weggeworfen hat, was du für dein Leben gern hättest – ein Kind.«
    Ellie wollte seine Bemerkung mit einem Lachen abtun, aber sie merkte, daß ihr kein passender Kommentar einfallen wollte. »Bin ich so ein offenes Buch?«
    »Mußt du gar nicht sein,« sagte Coop leise. »Ich kenne dich in- und auswendig.«
    »Also, wie kann ich das ändern? Wenn ich meine persönliche Beziehung zu ihr nicht von der beruflichen trennen kann, gewinne ich diesen Fall nie.«
    Coop lächelte. »Wann lernst du endlich, daß es verschiedene Arten gibt zu gewinnen?«
    »Was soll das heißen?« fragte sie argwöhnisch.
    »Manchmal, wenn man meint, verloren zu haben, gewinnt man am Ende doch noch um Längen.« Er legte eine Hand an ihr Kinn und küßte sie sacht. »Sieh dir mich an.«
    Ellie tat es. Sie sah das außergewöhnliche Karibikgrün seiner Augen, aber, was noch wichtiger war, sie sah auch die Geschichte in ihnen. Sie sah die kleine Narbe am Unterkiefer, die er von einem Sturz mit dem Fahrrad im Alter von sechs Jahren zurückbehalten hatte. Sie sah die Falte in seiner Wange, die sich schon bei der leisesten Andeutung eines Lächelns zu einem Grübchen vertiefte.
    »Das, was ich neulich nacht zu dir gesagt habe, tut mir leid«, sagte Coop. »Und vorsorglich entschuldige ich mich wohl besser auch noch dafür, was ich vorhin gesagt habe.«
    »Wahrscheinlich mußte ich das mal hören.«
    Sie schmiegte sich an ihn. »Ach, Coop.«
    Ihre Küsse waren leidenschaftlich und so drängend, als wollten sie in die Haut des anderen eindringen. Coops Hände glitten über Ellies Rücken und Brüste. »Gott, wie ich dich vermißt habe«, keuchte er.
    »Es waren doch nur fünf Tage.«
    Coop hielt inne und streichelte ihr Gesicht. »Es war eine Ewigkeit«, sagte er.
    Wenn sie die Augen schloß, glaubte sie ihm. Sie konnte förmlich die Musik von Grateful Dead hören, die vom Hof her durch das offene Fenster ihres Zimmers im Studentenwohnheim drang, wo sie und Coop ineinander verschlungen auf dem

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