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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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aber so für einen Christen«, sagte Katie.
    »Ja, schon, aber es ist schwer, ein Christ zu sein, besonders für einen Jungen, wenn es um seine Freundin geht«, erwiderte Mary. Sie spielte mit den Bändern ihrer Kapp . »Katie, ich glaube, Samuel möchte eine andere Freundin.«
    Katie spürte, wie die Luft aus ihr entwich. »Wer hat dir das erzählt?«
    Mary antwortete nicht. Aber die rotglühenden Wangen ihrer Freundin, ihr offensichtliches Unbehagen, ließen Katie genau das richtige vermuten. »Mary Esch«, flüsterte sie. »Das würdest du nicht machen . «
    »Ich wollte ja nicht! Ich hab ihn weggeschubst, nachdem er versucht hat, mich zu küssen!«
    Katie sprang auf, zitternd vor Wut. »Du bist mir eine schöne Freundin!«
    »Ich bin deine Freundin, Katie, wirklich. Ich bin hergekommen, damit du es nicht von jemand anderem erfahren mußt.«
    »Ich wünschte, du wärst nicht gekommen.«
    Mary nickte langsam, traurig. Sie verließ die Farm, ohne sich umzusehen.
    Katie hatte das Gefühl, zerspringen zu müssen, wenn sie auch nur eine einzige Bewegung machte. Sie hörte die Fliegengittertür aufgehen und zuknallen, aber sie starrte weiter über die Felder, wo Samuel mit ihrem Vater arbeitete.
    »Ich hab’s gehört«, sagte Ellie und berührte sie von hinten an der Schulter. »Es tut mir so leid.«
    Katie versuchte, die Augen weit offen zu halten, so weit, daß die Tränen nicht über den Rand quellen konnten. Doch schließlich wandte sie sich um und warf sich in Ellies Arme. »Das kann doch nicht wahr sein«, weinte sie. »Das kann doch alles nicht wahr sein.«
    »Schschsch, ich kenne das.«
    »Das kennst du nicht«, schluchzte Katie.
    Ellies kühle Hand legte sich in Katies Nacken. »Du würdest dich wundern.«
    Katie wollte unbedingt einen guten Eindruck auf Dr. Polacci machen. Ellie hatte gesagt, daß die Psychologin viel Geld dafür erhielt, daß sie zur Farm herauskam und sich mit ihr unterhielt. Sie wußte, daß Ellie glaubte, alles, was Dr. Polacci herausfand, wäre eine große Hilfe für das Gerichtsverfahren. Sie wußte auch, daß Dr. Cooper und Ellie, seit sie ihm von ihrer Schwangerschaft erzählt hatte, extrem höflich miteinander umgingen, und Katie vermutete, daß das alles irgendwie zusammenhing.
    Die Psychologin hatte dichtes schwarzes Haar, ein Gesicht wie der Mond und einen Körper so weit wie das Meer. Katie lächelte sie nervös an. Sie saßen beide allein im Wohnzimmer. Ellie hatte dabei sein wollen, aber Dr. Polacci hatte gemeint, sie sei nur noch eine Person mehr, vor der Katie gestehen müsse. Dr. Polacci hatte deutlich gemacht, daß sie dabei helfen wollte, einen Freispruch für Katie zu erwirken. Also hatte Katie ihr in der vergangenen Stunde so ziemlich genau das erzählt, was sie schon Dr. Cooper berichtet hatte. Sie wählte ihre Worte mit Bedacht – sie wollte, daß Dr. Polacci zu Ellie ging und ihr sagte: »Katie ist nicht verrückt; die Richterin kann sie ruhig gehen lassen.«
    »Katie«, sagte Dr. Polacci. »Was ist dir durch den Kopf gegangen, als du dich ins Bett gelegt hast?«
    »Bloß, daß ich mich schlecht fühlte. Und daß ich einschlafen wollte.«
    Die Psychologin notierte etwas. »Und was ist dann passiert?«
    Darauf hatte sie gewartet. Katie konnte fast wieder den stechenden Schmerz fühlen, der ihr wie eine Sense vom Rücken aus durch den Bauch fuhr, so daß sie, als sie schließlich wieder Luft bekam, ganz eng zusammengekrümmt dalag. »Ich bin aufgewacht und hatte schreckliche Schmerzen.«
    Dr. Polacci sah sie skeptisch an. »Dr. Cooper hat mir erzählt, daß du dich bislang nicht an Wehenschmerzen oder die Geburt des Kindes erinnern konntest.«
    »Konnte ich auch nicht«, gab Katie zu. »Das erste, was mir wieder eingefallen ist, war, daß ich schwanger war – ich hab Dr. Cooper erzählt, daß ich mich daran erinnere, wie ich versucht habe, mich zu bücken, und gemerkt habe, daß da bei mir in der Mitte etwas war, um das ich mich geradezu herumbiegen mußte. Und seitdem fällt mir immer mehr ein.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel, daß das Licht im Stall schon an war, dabei war es doch noch viel zu früh zum Melken.« Sie fröstelte. »Und wie ich wie wahnsinnig versucht habe, es drin zu behalten, aber es nicht konnte.«
    »War dir klar, daß du ein Kind zur Welt bringen würdest?«
    »Ich weiß nicht. Ich hatte schreckliche Angst, weil es so weh tat. Ich wußte bloß, daß ich leise sein mußte, daß ich nicht schreien oder weinen durfte, weil das jemand

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