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Die einzige Zeugin

Die einzige Zeugin

Titel: Die einzige Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Cassidy
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schwere Gewicht, das auf ihr lag. Ihr Vater, der seit zehn Jahren im Gefängnis saß, wehrte sich noch immer, bestand noch immer auf seiner Unschuld.
    Wenn sie mit jemandem reden könnte. Wenn sie bei jemandem sein könnte.
    Wenn sie nur nicht so allein wäre.
    Sie nahm ihr Handy in die Hand und ging ihre Kontaktliste durch. Sie übersprang Donny und Jessica. Die meisten anderen waren in Cornwall, alte Freunde, von denen sie die meisten wohl endgültig hinter sich gelassen hatte. Es gab ein paar neue Namen, Leute aus ihrer Klasse, aber es war niemand dabei, den sie jetzt hätte anrufen mögen. Julie war die Einzige, die sie wirklich gut kannte, aber sie wollte jetzt nicht mit ihr sprechen.
    Sie sah den Namen Nathan .
    Sie hielt inne. Es war über eine Woche her, dass er vor der Schule auf sie gewartet hatte. Sie könnte ihn anrufen. Sie könnte ihm sogar erzählen , was passiert war. Er wusste ja sowieso schon alles über sie. Sie hielt ihr Handy ans Ohr und überlegte, was sie tun sollte. Wie gut kannte sie ihn? Konnte sie ihm vertrauen? Sie hatte nur wenige Stunden mit ihm verbracht.
    Sie hob eine Hand an den Nacken und fühlte ihr straff zurückgebundenes Haar. Sie musste lächeln. Eine Meerjungfrau.
    Sie drückte auf Anrufen .
    »Hallo?«
    »Nathan?«, sagte sie.
    »Das bin ich.«
    »Hier … hier ist Lauren.«
    »Lauren!«, sagte er und seine Stimme wurde weicher. »Schön, dass du anrufst. Ich hatte nicht mit dir gerechnet!«
    »Ich hatte viel zu tun.«
    »Ich dachte, du hättest mich abserviert!«
    »Sei nicht albern. Wie kann ich dich abservieren, wenn wir gar nicht zusammen sind …«
    »Dann servierst du mich also jetzt ab!«
    »Nein!«, sagte sie, halb entnervt, halb lachend. »Hast du Lust, zu mir zu kommen?«
    »Oh …«
    Es war still und sie hörte ein Seufzen. Ließ er sie jetzt etwa abblitzen?
    »Ich würde gerne zu dir kommen, aber ich muss noch streichen. Das halbe Zimmer habe ich schon. Könnte ich später vorbeikommen? Heute Abend?«
    »Ich kann dir helfen«, sagte sie. »Ich bin gut in so was.«
    »Aber … ist das in Ordnung für dich, hier im Haus?«
    »Ich war schon öfter da, weißt du.«
    »Wenn du meinst …«
    Sie legte auf.
    Hazelwood Road. Es zog sie immer wieder dorthin zurück.

16
    Gegen drei Uhr waren Lauren und Nathan mit dem Esszimmer fertig. Als sie aufgeräumt hatten, brauchten die Hunde ihren Spaziergang. Lauren dachte an den Somers Park, aber Nathan griff nach dem Autoschlüssel auf der Ablage im Flur.
    »Ich sehe ja großartig aus«, seufzte sie und schaute an sich herab. Ihre Jeans und ihr Top waren voller Farbflecke.
    »Tust du für mich wirklich«, sagte er.
    Nathan hatte kein Problem damit, seine Gefühle zu zeigen. Lauren verunsicherte das. Sie wich seinem Blick aus und versuchte, die getrocknete Farbe von ihren Kleidern zu kratzen. Die Hunde jaulten voller Vorfreude und tanzten in Kreisen um sie herum. Nathan lief mit ihnen voraus zum Auto, das halb auf dem Bürgersteig vor dem Haus geparkt war. Lauren folgte ihm und hüpfte beim Laufen. Ihr Kater war verschwunden. Vor allem aber fühlte es sich gut an, bei Nathan zu sein. Es war nicht einmal schlimm gewesen, im Haus zu sein. Sie war im Erdgeschoss geblieben und hatte sich ganz auf das Stück Wand konzentriert, das sie zu streichen hatte. Als Nathan hinter ihr etwas erzählte, hatte sie fast völlig vergessen, wo sie sich befand.
    Er hatte ihre Vergangenheit nicht noch einmal erwähnt. Es war, als hätte er nie davon erfahren. Dafür war sie ihm dankbar.
    Nathan ließ die Hunde auf die Rückbank springen und Lauren setzte sich nach vorne auf den Beifahrersitz. Der Motor ging an und laute Musik füllte das Auto. Lauren drehte sich um. Prince und Duke saßen erwartungsvoll auf dem Sitz. Sie fuhren los. Nathan sang das Lied im Radio mit. Auf der Fahrt redeten sie kaum. Nathan drückte die Knöpfe am Radio und wechselte den Sender, sobald ein Lied kam, das er nicht mochte. Es störte sie nicht, dass sie sich nicht unterhielten. Es war entspannt. Es war einfach.
    »Wohin fahren wir?«, fragte sie in eine Lücke zwischen zwei Liedern hinein.
    »Wanstead Park. Kennst du den?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Viel Grün und viel Platz. Es ist schön da. Die Hunde können endlich mal wieder richtig laufen.«
    Im Wanstead Park waren relativ viele Leute unterwegs, aber der Park war so groß, dass man sich kaum in die Quere kam. Die Hunde rannten über die Wiese und kamen wieder zu ihnen zurück. Sie schossen in alle Richtungen,

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