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Die einzige Zeugin

Die einzige Zeugin

Titel: Die einzige Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Cassidy
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dich morgen an«, sagte sie. »Nach der Klausur. Versprochen.«
    Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

    Es war kurz nach sechs, als sie nach Hause kam. Sie öffnete die Tür und trat in das ruhige, stickige Haus. Es war heiß, und die Luft fühlte sich dick an. Sie zog die Jacke aus und hängte sie an den leeren Kleiderständer. Sie ging in die Küche und öffnete das Fenster über der Spüle. Kühlere Luft und die Geräusche aus den umliegenden Gärten kamen herein, das Rufen von Kindern, Musik und das Brummen eines Rasenmähers. Als sie sich umdrehte, fiel ihr Blick auf die leere Wodkaflasche neben dem Mülleimer. Sie dachte an gestern Abend, an Julie, Ryan und seinen Freund Dexy. Was hatte sie sich dabei gedacht? War sie so verzweifelt, dass sie sich einfach volllaufen ließ und sich dem nächstbesten Typen anbot, den sie noch nicht einmal besonders anziehend fand?
    Sie ging hoch in ihr Zimmer und suchte die Sachen zusammen, die sie für die Klausur am nächsten Morgen noch einmal durchgehen wollte. Neben ihrem Bett lag die rosafarbene Mappe mit den Briefen. Sie nahm sie und steckte sie in eine Schublade, unter ihre Kleider. Sie hatte genug Zeit damit verschwendet, die Briefe herauszunehmen und wieder einzupacken. Jetzt waren sie außer Sichtweite.
    Sie setzte sich aufs Bett und las ihre Notizen. Nach einer Weile hörte sie plötzlich ein Geräusch, eine Art Kratzen an der Haustür. Oder besser gesagt, am Briefkasten. Sie stand auf und ging zur Treppe. Von oben sah sie einen weißen Umschlag auf der Fußmatte liegen. Sie lief nach unten und hob ihn auf. Auf dem Umschlag stand in säuberlicher Handschrift ihr Name. Miss Lauren Ashe. Sie machte ihn auf. Im Umschlag steckten ein kurzer handgeschriebener Brief und eine Visitenkarte von der Barrat & Morris Anwaltskanzlei.
    Liebe Miss Ashe,
    es hat mich sehr gefreut, Sie am Freitag kennengelernt zu haben. Ich hoffe, dass unser Gespräch Sie nicht verärgert oder beunruhigt hat. Ich möchte Sie nur noch einmal wissen lassen, dass Sie sich jederzeit bei mir melden können.
    Herzlich,
    Ihre Rachel Morris
     
    P.S.: Es könnte ein wichtiger Hinweis sein, dass Sie sich an einen Clown auf der Geburtstagsfeier einer Freundin erinnern. Sollte Ihnen noch mehr dazu einfallen, wäre ich Ihnen für jede weitere Information sehr dankbar.
    Auf der Visitenkarte standen eine E-Mail-Adresse und zwei Telefonnummern, die Nummer der Kanzlei und eine Handynummer. Darunter war per Hand noch eine private Nummer geschrieben.
    Lauren war genervt. Sie öffnete die Haustür und schaute auf die Straße. Kein Mensch war unterwegs, kein Auto fuhr die Straße entlang. Sie ging wieder ins Haus und warf den Brief auf die Ablage im Flur. Hatte sie sich nicht klar und deutlich ausgedrückt? Warum ließ diese Frau sie nicht endlich in Ruhe? Nicht genug, dass sie ihr Briefe mit der Post schickte, jetzt lieferte sie sie auch noch persönlich ab.
    Sie hatte keine Lust, weiter über den Clown nachzudenken. Dieser Mann hatte nichts zu bedeuten, er war einfach irgendjemand, den sie auf einer Party gesehen hatte, wo er die anderen Kinder zum Lachen gebracht hatte. Danach hatte sie gesehen, wie er Mollys Haus verlassen hatte. Das war alles, woran sie sich erinnerte.

    War es das wirklich?
    Da war noch etwas. Irgendwo in ihrem Hinterkopf nagte etwas an ihr, das mit dem Clown zu tun hatte. Sie versuchte, sich zu konzentrieren, aber sie kam nicht darauf. Die Erinnerung war irgendwo da, sie bekam sie nur nicht zu packen. Sie war fast zum Greifen nahe, tauchte aus der Tiefe fast bis an die Oberfläche, nur um im letzten Moment abzudrehen und wieder zu verschwinden.
    Sie nahm die Karte wieder auf. Sie sollte diese Frau anrufen. Ihr noch einmal klarmachen, dass sie sie in Ruhe lassen sollte. Sie könnte sich irgendwo beschweren. Belästigung. Die Anwältin hatte kein Recht dazu, sie zu Hause aufzusuchen. Sie blickte ärgerlich auf die Visitenkarte. In der Mitte war eine kleine Waage aufgedruckt. Ein Symbol für das, was die Kanzlei repräsentieren sollte. Gerechtigkeit.
    Sie klopfte die Taschen nach ihrem Handy ab. Während sie suchte, tauchte etwas anderes in ihrem Kopf auf. Eine andere Karte, die sie in der Hand gehalten hatte, ein anderes Bild, ein Name und eine Telefonnummer. Das Bruchstück einer Erinnerung. Hatte sie nicht gerade an die Vergangenheit gedacht? An den Clown? Und dann, als wäre in ihrem Kopf eine Seite umgeblättert worden, war auf einmal alles da, klar und deutlich.
    Eine gelbe

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