Die Eisbärin (German Edition)
Jugendlicher, aber zu handfesten Ergebnissen oder gar Festnahmen ist es nie gekommen.“
„In Ordnung“, sagte Klein, der aufmerksam zugehört hatte, „aber wir müssen bedenken, dass der Einbruch 1992 war, also erst ein Jahr nach Lüschers Weggang.“
Bergmann wischte sich mit der Serviette über den Mund, ehe sie fortfuhr: „Das sehe ich nicht als Ausschlusskriterium, im Gegenteil. Damals sind Zigaretten und ein paar Flaschen billigen Wodkas entwendet worden. Der teure Whiskey blieb unangetastet. Wahrscheinlich gehörte sie zu dieser Gruppe Jugendlicher.“
„Jenny, das Internat ist nicht gerade bekannt für seine laschen Regeln. Es wäre aufgefallen, wenn sich die Schüler regelmäßig versammelt hätten, um auf Beutezug zu gehen.“
„Das wissen wir nicht. Es könnten auch Schüler der öffentlichen Schule beteiligt gewesen sein. Und auch am Internat gab es Freizeit. Du hast Dambeck gehört, wichtig war nur, dass man pünktlich zu den festen Zeiten wieder im Hause war. Außerdem fand ein großer Teil der Einbrüche an den Wochenenden statt. Da waren die Regeln ja etwas gelockert und das Personal dünner gesät.“
Eine halbe Stunde später hatte das Auto der beiden Ermittler gerade die Schranke zum Präsidium passiert, als Sperber ihnen auf dem Parkplatz winkend entgegenkam. In seiner Rechten hielt er einen dicken Stoß Papier. Klein kurbelte die Seitenscheibe herunter.
„Hallo, Klaus. Das sieht wichtig aus.“
Der Kriminaltechniker beugte sich tief herab und reichte Klein die Ausdrucke durch das Fenster.
„Das sind alle bundesdeutschen Halter der in Frage kommenden BMW. Interne Modellbezeichnung E61 und F11. Beides Kombis mit entsprechender Beleuchtung.“ Er wies auf einen dünneren Stapel, der obenauf lag. „Das sind die Essener Halter. Ihr müsst aber wissen, dass es sich nur um aktuell zugelassene Fahrzeuge handelt. Abgemeldete oder ins Ausland verkaufte Wagen sind nicht dabei. Wenn ihr die auch noch braucht, sagt Bescheid. Ich tue, was ich kann.“
„Danke, Klaus. Ich denke, das reicht uns fürs Erste. Wenn wir nicht weiterkommen, überlegen wir neu.“
Der Riese legte die Hand an die Stirn, trabte davon und verschwand um die Ecke.
Gegen 22.00 Uhr hatten Klein und Bergmann den dringendsten Papierkram erledigt und einen ersten Blick auf die Listen geworfen. Der erhoffte Erfolg war ausgeblieben. Keiner der Namen stand sowohl auf der Schülerliste als auch auf der Liste der Fahrzeughalter.
Morgen, flüsterte Klein beim Hinaustreten in die nächtliche Kälte, und dachte an die langwierige, akribische Kleinarbeit, die die Auswertung und Überprüfung der Namen erfordern würde. Morgen.
Samstag, 27. November, 23.10 Uhr
Sie spürte seine Hand. Groß und kräftig ruhte sie auf ihrem Bauch, knapp oberhalb des geöffneten Knopfes ihrer Jeans. Dann begannen seine Finger, ihren Nabel zu umkreisen. Jenny liebte es, dort berührt zu werden. Doch etwas stimmte nicht. Irgendetwas war anders als sonst. Das warme, vertraute Kribbeln stellte sich nicht ein, stattdessen kamen ihr die Berührungen fremd vor. Kalt und bedrohlich. Sie lag auf dem Rücken und spürte den Luftzug. Leicht und gleichmäßig bewegten sich die feinen Härchen an ihrem Hals im Rhythmus seines Atems. Sie roch das Bier. Es waren nur ein paar Flaschen gewesen, die sie getrunken hatten, nachdem Mike gegen halb zehn überraschend bei ihr geklingelt hatte. Normalerweise störte sie das nicht, aber jetzt empfand sie den süßlichen Alkoholgeruch als unangenehm und penetrant.
„Warum bist du heute so verkrampft?“, fragte er und ließ seine Hand ein Stück höherwandern.
„Bin ich nicht“, presste sie hervor und zwang sich zu einem Lächeln. Sie bemühte sich redlich, aber es gelang ihr nicht, sich auf seine Zärtlichkeiten einzulassen. Seit sie am frühen Abend das Präsidium verlassen hatte, konnte sie an nichts anderes mehr denken als an die Listen. Hätte Klein nicht auf den Feierabend gedrängt, sie wäre ihrem Gefühl gefolgt und im Büro geblieben. Bisher hatte sie noch nichts Auffälliges entdeckt. Die Auflistung aus dem Schlossinternat wies gut 70 Namen von Schülerinnen auf, die zeitgleich mit Lüscher am Internat gewesen waren. Der Ausdruck der Essener Fahrzeughalter förderte 249 Namen zutage. Jeden einzelnen war sie durchgegangen, konnte jedoch keine Übereinstimmung ausmachen. Und dennoch. Irgendetwas musste sie übersehen haben. Dessen war sie sicher. Doch es war, als sei eine Wolke zwischen ihre Gedanken und die
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