Die Eisbärin (German Edition)
Erkenntnis getreten, die einfach nicht weichen wollte.
Die Hand schob sich tiefer unter ihr Hemd und streichelte den weichen Ansatz ihrer Brüste. Jetzt bereute sie, keinen BH zu tragen. Nach dem Duschen hatte sie in der Eile nur ein T-Shirt übergezogen. Alles an ihr war wie elektrisiert. Die Härchen an ihren Armen standen aufrecht, jede Zelle ihres Körpers schien die Luft anzuhalten. Und die Wolke begann, sich aufzulösen.
Sie registrierte, wie die Finger immer forscher wurden. Gierig kneteten sie ihre kleinen Hügel.
„Da bist du ja“, flüsterte Mike kichernd, als er ihre aufgerichtete Brustwarze berührte.
In diesem Augenblick traf es sie wie ein Schlag. Grob packte sie seinen Arm und löste sich aus der Umklammerung. Wie eine aufgescheuchte Katze sprang sie blitzschnell aus dem Bett, schloss ihre Hose und suchte nach den Schuhen.
„Was ist denn jetzt los? Sag mal, spinnst du?“ Mike hatte sich aufgerichtet und starrte sie an wie eine Fremde. Im Grunde lag er richtig. Bergmann war nur noch körperlich im Zimmer. Ihre Gedanken waren längst woanders.
„Jenny!“, fauchte er jetzt ärgerlich. „Was soll die Scheiße?“
„Ich muss noch mal zurück ins Präsidium“, murmelte sie und bückte sich nach den Schuhen.
„Warum? Ich denke, du warst den ganzen Tag dort?“
Bergmann schlüpfte in die Jacke und schob ihr Handy in die Tasche. Dann wandte sie sich an Mike.
„Du liegst nicht in meinem Bett, weil du so gut denken kannst. Du wusstest, worauf du dich einlässt. Ich muss etwas überprüfen. Meinetwegen kannst du hier auf mich warten. Wenn nicht, werde ich das auch überleben.“
Dann drehte sie sich um verließ ihre Wohnung.
Unten auf der Straße hörte sie ihn immer noch fluchen. Bergmann sprang in den Wagen und startete den Motor. Der alte Golf stöhnte laut auf, doch dann setzte er sich gefügig in Bewegung. Mit quietschenden Reifen verschwand sie hinter der nächsten Einmündung und hinterließ eine Wolke aus Dunst und blauem Abgas.
Die Fahrt zum Präsidium war kurz, die Liste der begangenen Verstöße auf dieser Strecke dafür umso länger. Geschwindigkeitsbegrenzungen kamen in Bergmanns Gedanken nicht vor, und selbst das Rotlicht einiger Ampeln fiel ihrer Ungeduld zum Opfer. Mit dem guten Liter Bier in ihrem Körper wäre sie unter anderen Umständen nicht mehr gefahren, aber das spielte im Augenblick keine Rolle. Alles, was sie antrieb, war dieser eine Name. Irgendwo im oberen Drittel der zweiten Seite.
Dann war sie am Ziel. Sie stellte den Wagen im Parkverbot ab, vergaß abzuschließen und betrat das Gebäude durch den Vordereingang. Sie nickte den ehemaligen Kollegen von der Kriminalwache zu und drückte den Aufzugknopf. Nach drei Sekunden dauerte ihr das Warten zu lang, und sie nahm die Treppe. Bergmann funktionierte jetzt wie eine Maschine. Ihr Ziel zog sie an wie ein riesiger Magnet. Es war eine zweiseitige Anzeige, eingebunden in einen zerfledderten Ringordner in Christas Büro. Eine letzte Glastür, dann stand sie im dunklen Flur des KK11. Es roch noch immer nach dem Kaffee, den sie wenige Stunden zuvor gekocht hatte. Sie schaltete die Beleuchtung ein und kramte nach ihrem Schlüsselbund.
Zuerst öffnete sie die Tür ihres eigenen Büros. Die Papiere lagen genauso, wie sie sie zurückgelassen hatte. Wild verstreut über den ganzen Schreibtisch. Es dauerte eine Minute, dann hielt sie das richtige Blatt in den Händen. Sie las den Namen, und ein Gefühl der Anspannung blies sich in ihr auf zu einem riesigen Ballon, der ihr den Atem zu rauben drohte. Auf wackligen Beinen lief sie hinüber zum Geschäftszimmer und drückte die Klinke. Es war verschlossen ‒ Nachlässigkeit gehörte eben nicht zu Christas Eigenschaften. Wieder fummelte Bergmann nervös an ihren Schlüsseln und probierte mehrere von ihnen aus. Sie wusste nicht, welcher ihrer Kollegen die Anzeige bearbeitete, die sie suchte. Aber von jeder einzelnen gab es eine Durchschrift. Sie hätte auch den Computer bemühen können, aber sie wollte es schwarz auf weiß. Real und greifbar. Der dritte Schlüssel passte, und die Tür sprang auf. Zielstrebig näherte sie sich dem Schrank. Es war ein riesiges Metallmonster, das die komplette Breitseite des Büros in Anspruch nahm. Sie öffnete die Doppeltür und überflog die Ordnerrücken. Sie waren nicht deliktspezifisch, sondern chronologisch sortiert. Dann entdeckte sie ihn. Mit zittrigen Fingern zog sie den Ordner heraus und knallte ihn auf Christas Schreibtisch. Hektisch
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