Die Eisbärin (German Edition)
stupste mit der Schnauze gegen ihr Bein. Sabine kniete sich neben die Hündin und kraulte das dichte Fell hinter den Ohren.
„Zeit für deine Runde, was?“
Sie richtete sich auf und streichelte über den schmalen Kopf, der ihr fast bis an die Hüfte reichte. Dann ging sie zurück in die Küche und holte Klöße und Rotkohl zum Auftauen aus dem Eisfach. Nach dem Spaziergang würde sie sich um das Mittagessen kümmern und anschließend mit den Mädchen in ein großes Outlet fahren. Mit gemischten Gefühlen nahm sie zur Kenntnis, dass die Kinder langsam in ein Alter kamen, in dem Mode und äußere Erscheinung immer wichtiger wurden.
Sabine ging zur Garderobe, wo sie ihre Jacke und die Leine herausholte. Die Hündin wartete bereits hechelnd vor der Tür. Sabine zog den Reißverschluss bis zum Kinn, setzte die Mütze auf und befestigte den Karabiner an Brancas Halsband. Dann hielt sie kurz inne und lauschte den Geräuschen im Keller. Laura und Nicole planschten und kreischten so ausgelassen und vergnügt, dass es ihr selbst eine Freude war. Lächelnd überlegte sie, ob sie hinuntergehen und den beiden Bescheid geben solle, entschied sich dann jedoch dagegen. Die Kinder würden noch eine Weile beschäftigt sein und ihre Abwesenheit nicht mal bemerken. Wie immer, wenn sie das Haus verließ, tastete sie kurz den Inhalt ihrer Innentaschen ab. Beides war an seinem Platz. Sabines Lächeln verdüsterte sich.
Eines Tages werde ich ihm begegnen. Irgendwann wird er sein nächstes Opfer suchen, und dann werde ich in der Nähe sein.
Als sie die Haustür öffnete, war ihr Gesichtsausdruck so frostig wie der Wintertag, in den sie hinaustrat.
***
Die Augen fielen ihm immer wieder zu, trotz der eisigen Kälte, die Klein seit Stunden zittern ließ. Über eine Standheizung verfügte der Wagen nicht, und den Motor zu starten, kam nicht in Frage. Zwar parkten sie einige hundert Meter vom Ziel entfernt, aber sie konnten es sich unter keinen Umständen erlauben, aufzufallen.
Klein beugte sich vor und versuchte, in der Ferne etwas zu erkennen, aber der frostige Tau auf der Scheibe machte sie blind. Wir hätten auf der anderen Seite parken sollen, dachte er übellaunig. Dort, wo jetzt die Sonne scheint. Sein Blick fiel auf das Funkgerät, und er überprüfte, ob es noch funktionierte. Es war ihre einzige Verbindung zum Haus. Sie hörten den Kanal des Sondereinsatzkommandos, aber die letzte Durchsage war bereits lange her. Anders als bei den Kollegen des Streifendienstes waren Späße und lockere Sprüche bei den Elitepolizisten verpönt.
Klein zwang sich, wach zu bleiben, und rief sich noch einmal die Ereignisse der turbulenten Nacht ins Gedächtnis. Nachdem er auf dem Präsidium erschienen war, hatte ihm Bergmann zunächst die Hintergründe ihrer Entdeckung geschildert. Sie musste mehrmals ansetzen, da sie vor Anspannung und Aufregung immer wieder wichtige Einzelheiten vergaß. Doch ihr Vortrag überzeugte ihn, und er informierte die restlichen Kollegen der Kommission. Danach klingelten die beiden Ermittler sowohl Boger als auch Richter und Staatsanwalt aus ihren Betten. Die Indizien gegen Sabine Kleiber waren derart stichhaltig, dass alle erforderlichen Anordnungen und Beschlüsse innerhalb weniger Stunden getroffen und herbeigeschafft waren. Das SEK war gegen 06.30 Uhr in Stellung gegangen. Lautlos und unsichtbar hatten die Männer rund um das Grundstück ihre Positionen eingenommen und meldeten die Ergebnisse der Aufklärung an den Kommandoführer. Niemand rechnete ernsthaft mit aggressiver Gegenwehr, auf der anderen Seite bestand der dringende Verdacht, dass Sabine Kleiber im Besitz von Waffen war, mit denen sie bereits getötet hatte.
Klein zog die Jacke enger und schielte hinüber zu Bergmann. Ihr Kopf lehnte seitlich am Fenster, und er vernahm tiefe, gleichmäßige Atemzüge. Die übermäßige Müdigkeit hatte die Aufregung längst besiegt.
Er versuchte gerade, sein eingeschlafenes Bein in eine bequemere Position zu bringen, als plötzlich ein Funkspruch der quälenden Warterei ein Ende setzte. Es waren die Worte eines der Aufklärer. Klar, präzise und knapp. Offenbar tat sich etwas im Haus. Bisher wussten sie nur, dass Sabine allein mit zwei kleinen Kindern und einem Hund zu Hause war. Die beiden Mädchen waren auch der Grund, weshalb das Haus noch nicht gestürmt war und Sabine Kleiber noch nicht überwältigt und gefesselt auf dem Boden ihrer Küche lag. Auch das Handeln der speziell für solche Situationen trainierten
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