Die Eisbärin (German Edition)
wieder auf eine ernstere Ebene. „Eine Leiche im Schlafzimmer, starke Fäulniserscheinungen. Brütend heiß in der Wohnung. Wahrscheinlich war die Heizung über Wochen an, während alle Fenster geschlossen waren. Auf den ersten Blick alles normal da drin. Bis auf ein Bündel Bargeld auf dem Küchentisch und eine sonderbare Innenverkleidung im Schlafzimmer.“
„Und den toten Menschen“, ergänzte Sperber grinsend.
„Ja, das auch.“
„Habt ihr die Identität schon geklärt?“, erkundigte sich Sperber.
„Nein, noch nicht. Es ist unglaublich, wie wenig die Nachbarn voneinander wissen.“
„Gut, wir werden vorgehen wie immer. Wenn sich da drin auch nur die kleinste Spur befindet, werden wir sie finden.“
Günther Klein glaubte dem Riesen aufs Wort. In all den Jahren war er niemandem begegnet, der so professionell und engagiert zu Werke ging.
„Ich nehme Kontakt mit der Staatsanwaltschaft auf und lasse die Leiche zur Obduktion abholen“, sagte Klein. „Lasst ihr die Leute später rein?“
„Ja, wenn wir Fotos gemacht und uns alles so angesehen haben, wie es jetzt ist. Sonst trampelt mir noch jemand auf den Spuren herum. Zeitlich will ich mich da aber noch nicht festlegen.“
„In Ordnung. Wann könnt ihr loslegen?“
„Tja, die Gerätschaften dürften in etwa 20 Minuten einsatzbereit sein.“
„Gut, wenn etwas Bahnbrechendes passiert, ruf mich bitte auf dem Handy an.“
„Mach ich.“
„Danke, Klaus. Wir werden morgen früh um acht eine erste Besprechung ansetzen. Du bist der wichtigste Mann. Schaffst du das?“
„Kann spät werden heute, aber ich werde da sein.“
Klein wollte sich gerade abwenden, als ihm noch etwas einfiel: „Klaus, der Geruch da drin ist wirklich fürchterlich. Wie macht ihr das bloß?“
„Keine Sorge“, Klaus Sperber deutete auf einen der abgestellten Rucksäcke. „Gummimasken mit Aktivkohlefiltern.“
Gegen 19.30 Uhr fuhr Günther Klein den Rechner in seinem Büro herunter, nachdem er sich den Nachmittag über mit den Vorbereitungen für die anstehenden Ermittlungen beschäftigt hatte. Klaus Sperber hatte ihm telefonisch durchgegeben, dass die Identität des Toten zumindest vorläufig geklärt war. Ein abgelaufener Reisepass, dessen Daten er mit dem Einwohnermeldeamt abgeglichen hatte, lautete auf Herbert Lüscher, einen 74 Jahre alten, alleinstehenden Rentner.
Den Rest der Zeit hatte Klein damit verbracht, ein Team zusammenzustellen. Bis die ersten Ergebnisse der gerichtsmedizinischen Untersuchung vorlagen, würden sie von einem Tötungsdelikt ausgehen müssen. Und das bedeutete intensive Ermittlungen in alle Richtungen.
Was Klein nachdenklich stimmte, war die Tatsache, dass keine Vermisstenanzeige vorlag. Zu irgendeinem Menschen musste dieser Mann doch Kontakt gehabt haben.
Morgen, dachte Günther Klein müde und schaltete die Schreibtischlampe aus. Morgen wissen wir mehr, und dann können wir auch die richtigen Fragen stellen.
Er verließ das Präsidium, zog den Mantelkragen auf dem Weg zu seinem Wagen hoch und fuhr nach Hause.
Donnerstag, 18. November, 08.00 Uhr
Günther Klein hatte es nicht weit. Das große Besprechungszimmer des KK11 lag auf der anderen Flurseite, schräg gegenüber von seinem eigenen Büro. Als Ermittlungsleiter war es ihm vorbehalten, am Kopfende des Tisches zu sitzen, während seine Mitarbeiter die Plätze zu seiner Rechten und Linken einnahmen.
Nachdem sich die Truppe mit Brötchen und frisch aufgebrühtem Kaffee versorgt hatte, setzten sich alle und richteten gespannte Blicke auf ihren Chef. Zu Beginn einer Ermittlung herrschte stets die gleiche Mischung aus neugieriger Spannung und Nervosität bei den Mitgliedern der Kommission. Leider wich dieses Gefühl jedes Mal nur allzu schnell der Enttäuschung und Müdigkeit, wenn die Ermittlung in zahllosen Überstunden immer wieder in Sackgassen führte. Günther Klein wusste das nur zu gut und schätzte die trotz allem ungebrochene Einsatzbereitschaft jedes Einzelnen in seinem Team.
Der Platz rechts neben ihm gehörte Jennifer Bergmann. Sie war erst seit zwei Jahren beim KK11, hatte aber zuvor jahrelang Erfahrung auf der Kriminalwache gesammelt. Diese Leute arbeiteten nur im Spät- und Nachtdienst und waren außerhalb der normalen Bürodienstzeiten für die unaufschiebbaren Sofortmaßnahmen an Tatorten zuständig. Bergmann hatte sich in kürzester Zeit zu Kleins engster Mitarbeiterin entwickelt. Anfangs hatte er sie nur unter seine persönliche Aufsicht gestellt, weil sie hier
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