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Die Eisbärin (German Edition)

Die Eisbärin (German Edition)

Titel: Die Eisbärin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Gereon
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das, wovor er und viele andere Polizisten sich am meisten fürchteten, es gab tote Kinder.
    „Die zu Beginn wichtigste Frage ist jedoch nicht die nach der Todesursache“, hörte Klein die fernen Worte seines Ausbildungsdozenten, „sondern stets die nach der Todesart. Zunächst gilt es also zu klären, ob ein natürlicher oder ein nicht natürlicher Tod vorliegt. Während in die Kategorie der natürlichen Todesfälle lediglich der alters- und der krankheitsbedingte Tod fallen, verbergen sich hinter der anderen die Unfalltoten, die Suizidenten und schließlich die Toten, bei denen ein sogenanntes Fremdverschulden vorliegt oder zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. Letztere Fälle haben stets intensive Aufklärungs- und Ermittlungsarbeit zur Folge und begründen das komplizierte Zusammenspiel von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei.“
    Um 13.45 Uhr stoppte Jennifer Bergmann den Opel hinter dem geparkten Streifenwagen. Während sie ausstiegen, kam ihnen ein Kollege in Uniform entgegen.
    „Hallo, ich bin Nico Kretschmar, Wache Steele, danke fürs schnelle Kommen. Wir waren die Ersten in der Wohnung.“
    „Gut“, sagte Günther Klein, „was haben wir genau?“
    „Türöffnung durch die Feuerwehr. War ziemlich kompliziert, ein hartnäckiges Schloss. Wie sich herausstellte, war die Tür jedoch nicht verriegelt, sondern wurde normal zugezogen. Die Leiche liegt im Schlafzimmer, bereits stark verwest, der Kleidung nach eher männlich. Der Geruch ist heftig, Türen und Fenster haben wir aber noch nicht geöffnet, wir wollten nichts verändern.“
    „Gut gemacht. Sonst noch etwas?“
    „Ja, angerufen hat eine Frau Gerscher, Nachbarin auf gleicher Etage. Sie hat den Geruch bemerkt, kennt aber den Namen des Wohnungsinhabers nicht. Mein Kollege steht noch oben vor der Tür, fünfte Etage.“
    „In Ordnung, wir schicken ihn dann runter. Seid aber so nett, und wartet noch ein paar Minuten. Vielleicht brauchen wir euch noch.“
    „Ist gut“, sagte Nico Kretschmar, ging zurück zum Streifenwagen, drehte sich aber noch mal um. „Ach so, da wäre noch was …“, ihm war die Sache offenbar sehr peinlich, „das Erbrochene im Flur stammt von mir.“
    Mit einem Nicken verschwanden die Ermittler im Haus.
    „Übertrieben hat er nicht, ist wirklich ziemlich heftig“, bemerkte Jennifer Bergmann bereits auf dem Weg in die erste Etage. „Hast du gesehen, wie bleich Nico war? Kann man ihm nicht übelnehmen, das kleine Missgeschick.“
    Günther Klein antwortete nicht. Sein linkes Knie bereitete ihm beim Treppensteigen starke Schmerzen, aber er wollte die Schwäche gegenüber seiner Kollegin und vor allem sich selbst gegenüber nicht eingestehen und den Aufzug benutzen. Also biss er auf die Zähne. Die Schmerzen waren jedoch nicht das Einzige, wogegen er ankämpfen musste. Mit zunehmender Höhe wurde auch der Geruch immer stärker. Gut, dass ich das Pinimenthol mitgenommen habe, dachte er. Vor Betreten der Wohnung würden sie die Salbe dicht unter der Nase auftragen und somit zumindest eine Zeitlang die Gerüche um sie herum auf Abstand halten können.
    Martin Schneider schien überaus erleichtert zu sein, als er die Kollegen der Kriminalpolizei begrüßte. Bergmann und Klein entließen den Streifenpolizisten, trugen die Salbe auf und kramten Handschuhe und Taschenlampen hervor.
    Günther Klein betrat die aufgeheizte Wohnung als Erster, dicht gefolgt von seiner Kollegin. Er konnte nicht genau benennen, was er empfand, wenn er die Wohnung eines Toten betrat, dazu war das Geflecht aus Emotionen und professionellen Überlegungen zu komplex. Aber eines beobachtete er immer wieder und spürte es auch jetzt. Es war das latente Gefühl, etwas Unangemessenes zu tun. Es war die Störung der Totenruhe, die ihm nicht behagte. Er glaubte zwar an die Auferstehung der Seele, konnte aber gleichzeitig den toten Körper nicht lediglich als zurückgebliebene Hülle sehen. Er gehörte dem Verstorbenen genauso wie sein Geist, und der Tote hatte ein Anrecht auf seine Würde. Der Prozess der Zersetzung war etwas Intimes. Die entstellenden Stadien der Verwesung waren nicht dazu bestimmt, von anderen Menschen begafft zu werden. Klein wusste, dass er sich nie an diesen Teil seiner Arbeit gewöhnen würde, und konzentrierte sich auf den Boden vor seinen Füßen.
    Nachdem sie sich bis zum Schlafzimmer vorgetastet hatten, sammelten sie sich kurz, dann schob Klein die Tür auf und schaltete die Deckenbeleuchtung ein. Der in dunklen Farben gehaltene

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