Die Eiserne Festung - 7
Karrenräder unverkennbar auf Stein, und das Geräusch hallte von Wänden wider. Hahskans hatte auch etwas gehört, das möglicherweise eine schwere Schiebetür gewesen war. Darum vermutete er, sich in einem Lagerhaus zu befinden. Nach der Belagerung durch die Charisianer standen viele leer; dieses hier schien recht groß zu sein. Sogar groß genug, da war sich Tymahn fast sicher, dass niemand auf der Straße würde hören können, was hinter dessen Mauern geschah.
Die ganze Fahrt über hatte Hahskans lautlos die Heilige Schrift rezitiert. Natürlich halfen ihm die vertrauten Texte. Doch nicht einmal sie vermochten diesen eisigen Klumpen der Furcht in seinem Magen zu bannen. Dass man ihn entführt hatte - und die Art und Weise, in der das geschehen war -, diese gegen Dailohrs gerichtete Drohung ... all das verriet ihm entschieden zu viel darüber, wer hierfür verantwortlich war. Hahskans war nur ein gewöhnlicher Sterblicher. Selbst der größte, aus tiefsten Herzen empfundene Glaube vermochte nicht große Furcht zu vertreiben.
Zweifellos hatten seine Peiniger ihn allein gelassen, damit die Furcht ihn zermürbte. Hahskans wünschte, er könne sagen, das wirke bei ihm nicht, aber ...
Plötzlich wurde hinter ihm eine Tür geöffnet. Hahskans erstarrte, sämtliche Muskeln angespannt. Dann blinzelte er heftig, so sehr schmerzte das Licht in seinen Augen, als ihm der Leinensack vom Kopf gerissen wurde.
Kurz darauf begriff er, dass das Licht gar nicht so hell war, wie es ihm zunächst, nach all der Dunkelheit, erschienen war. Trotzdem brauchte Hahskans einige Augenblicke, um sich an die Beleuchtung zu gewöhnen. Dann richtete er den Blick auf den drahtigen Mann mit braunen Haaren und brauen Augen, der jetzt vor ihm stand, die Arme vor der Brust verschränkt. Der Mann war mindestens zwanzig Jahre jünger als sein Gefangener, und auf seiner Wange prangte eine hässliche Narbe. Es sah nach einer unschönen Verbrennung aus, und selbst jetzt, in dieser misslichen Lage, empfand Hahskans tiefstes Mitleid mit dem Mann: Eine Verletzung, die eine derart tiefe, entstellende Narbe hinterließ, musste extrem schmerzhaft gewesen sein.
»Also«, sagte der vernarbte Mann, und sofort war Hahskans' Mitgefühl wie fortgeblasen: Er erkannte die Stimme wieder, die er schon in seinem Arbeitszimmer gehört hatte, »haben Sie in Ruhe meditieren können,
Pater?«
Sein höhnisches Grinsen und sein Tonfall verwandelten den angemessenen Titel in eine obszöne Beleidigung, und Hahskans spürte, wie sich sein Blick angesichts dessen verhärtete.
»Das habe ich tatsächlich«, entgegnete er ruhig. »Vielleicht solltest du das auch beizeiten versuchen, mein Sohn.«
»Ich bin nicht dein Sohn, du dreckiger Verräter!«, fauchte der vernarbte Mann. Abrupt zuckte seine rechte Hand zum Heft eines äußerst hässlichen Messers an seinem Gürtel.
»Vielleicht nicht«, gab Hahskans zurück. »Aber jeder Mann ist ein Sohn von Mutter Kirche und ein Sohn Gottes ... es sei denn, er entscheidet sich bewusst dagegen.«
»So wie du«, zischte der Narbige.
»Ich habe nichts dergleichen getan.« So ruhig, wie er das vermochte, blickte Hahskans seinem Gegenüber in die hasserfüllten Augen.
»Lüg mich nicht an, du Dreckskerl!« Der Mann mit dem vernarbten Gesicht zog das Messer eine Winzigkeit aus der Scheide hervor. »Ich habe doch selbst in deiner beschissenen Kirche gesessen! Ich habe selbst gehört, wie du mit deinen Worten Mutter Kirche mit Unrat beworfen hast! Ich habe gesehen, wie du den Shan-wei-verdammten Charisianern in den Arsch gekrochen bist und diesen anderen feigen Wunderknaben dieses so genannten Regentschaftsrats!«
»›Niemand ist so blind wie jener, der nicht sehen möchte‹«, zitierte Hahskans ruhig.
»Wage ja nicht, die Heilige Schrift zu zitieren!« Der Ton des Narbigen wurde noch schärfer. Doch Hahskans zuckte nur mit den Schultern, so gut er das eben vermochte, so fest, wie er an den Stuhl gefesselt war.
»Dafür wurde sie uns gegeben«, erwiderte er. »Und wenn du nicht deine Ohren und deine Augen verschlossen hättest, ganz genau, wie Langhorne das an dieser Passage verdeutlichen wollte, dann wüsstest du, dass ich niemals Mutter Kirche mit Unrat beworfen habe. Ich habe nur die Wahrheit über ihre Feinde ausgesprochen.«
Zischend kam die Klinge aus der Scheide, und mit der linken Hand packte der Mann mit dem vernarbten Gesicht in Hahskans' Haar und riss ihm den Kopf zurück. Wieder wurde scharfkantiger Stahl gehen Tymahns
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