Die Eiserne Festung - 7
Sie befanden sich jetzt in Clyntahns Gewalt, und Ahnzhelyk gab sich keinerlei Illusionen hin, was mit ihnen in genau diesem Moment geschah.
Hier und jetzt, in diesem Lagerhaus, aber kauerten jetzt sechs Familien beieinander, und sie alle waren gezwungen, mit demselben Wissen zu leben.
Wenigstens werden sie nicht mehr lange beieinander kauern müssen, dachte Zhevons. Dafür sei Gott gedankt! Die Stadt war schon schlimm genug, als ich hier angekommen bin. Jetzt ist sie zehnmal schlimmer!
Die Nachricht der Verhaftung sämtlicher Mitglieder des ›Kreises‹ hatte Zion betäubt wie ein Hammerschlag. Wie Ahnzhelyk selbst hatte sich die Mehrheit der Mitglieder des ›Kreises‹ in verschiedenen karitativen Einrichtungen engagiert. Viele waren Bédardisten oder Pasqualaten gewesen und hatten sich um die Notunterkünfte dieser Orden gekümmert. Diese Notunterkünfte mochten unzureichend sein, unzureichend mit finanziellen Mitteln und Mitarbeitern ausgestattet und weitestgehend von Mutter Kirche ignoriert. Doch sie machten immer noch im wahrsten Sinne des Wortes den Unterschied zwischen Leben und Tod aus für viele der Ärmsten der Stadt. Und die hohen Kirchenmänner, die sich dazu herabgelassen hatten, sie zu unterstützen - die in manchen Fällen sogar regelmäßig in ihnen gearbeitet hatten -, waren beliebt gewesen bei eben jenen ärmsten Bürgern Zions. Andere der Verhafteten hatten mit einzelnen Kirchengemeinden zusammengearbeitet, die ihre Pflicht, sich um die weniger glückreichen Brüder und Schwestern zu kümmern, ernst genommen hatten, und auch sie wurden von den Bedürftigen in Zion geliebt.
Über jene Bürger hinaus, denen diese Vikare und Erzbischöfe unmittelbar geholfen hatten, war die Aufrichtigkeit ihres Glaubens und ihres Mitgefühls den jüngeren Kirchendienern und Laien bewusst gewesen, die mit ihnen zusammengearbeitet hatten. Dass sie unter dem Vorwurf des Verrats und der Ketzerei festgenommen worden waren, hatte zu Verunsicherung geführt. Dass man sie als heimliche Ketzer faktisch bereits verurteilt hatte, der charisianischen Abtrünnigkeit Vorschub geleistet zu haben, traf sie bis ins Mark. Dass plötzlich von unaussprechlichen persönlichen Verfehlungen und Perversionen die Rede war, schien schlichtweg unmöglich. Doch die Gerüchte, besagte Männer seien verhaftet worden, stellten sich als wahr heraus, und deren ›Geständnisse‹ kursierten, gleich nachdem die Inquisitoren ihnen ›gut zugeredet‹ hatten.
In Zion herrschte ein stiller, heimlicher Aufruhr. Niemand wagte es laut auszusprechen. Viele aber hegten Vermutungen darüber, was in Wahrheit geschehen war. Das waren Menschen, die in der Zerschlagung des ›Kreises‹ ein skrupelloses, kühl geplantes und kalt ausgeführtes Manöver sahen, all das zum Schweigen zu bringen, was sich als Opposition verstehen ließ. Es war die Auslöschung jeglicher Toleranz, die offizielle Billigung einer fanatischen Treue nicht Mutter Kirche gegenüber, sondern dem Vikariat und - ganz besonders - der ›Vierer-Gruppe‹ gegenüber.
Zhaspahr Clyntahn hatte den Tempel mit eiserner Faust umklammert und damit das Herz der ganzen Kirche des Verheißenen. Die Stadt Zion hielt den Atem an und zitterte, während sie abwartete, welcher Preis für diesen Triumph zu zahlen sein würde.
Es wird nicht mehr lange dauern, bis das Denunzieren anfängt, dachte Zhevons traurig. Die Inquisition hat schon immer überall auf Safehold ihre Informanten und ihr Spionagenetzwerk gehabt, besonders aber hier in Zion und im Tempel, und das auch aus gutem Grund. Aber jetzt werden sie alle nach jemandem - irgendjemandem - suchen, der als Exempel der eigenen Orthodoxie, Treue und Zuverlässigkeit dienen kann. Sie werden nach Opfern suchen, die sie den Kraken zum Fraß vorwerfen können, um sich selbst und ihre eigenen Familien zu retten.
»Ich muss zugeben«, fuhr Ahnzhelyk mit düsterer, bitterer Befriedigung fort, »dass es, obwohl ich das hier schon geplant hatte, lange bevor Clyntahn an die Macht gekommen war, mich immens freut, gerade ihn dazu benutzen zu können, diese Menschen vor ihm zu retten.«
Wieder nickte Zhevons. Aber obwohl es sie freute, erfüllte ihn der schiere Wagemut ihres Planes doch mit beachtlicher Sorge. Aber diese unfassbare Unverfrorenheit war vermutlich genau das, was erforderlich war, um diesen Plan tatsächlich gelingen zu lassen.
Zhevons hatte bereits begriffen, dass Ahnzhelyk Phonda eine gerissene Geschäftsfrau war - und ebenso eine äußerst
Weitere Kostenlose Bücher