Die Eiserne Festung - 7
geschickte Verschwörerin. Allerdings hatte er bislang nicht erkannt, welches Vermögen sie sich im Laufe der Jahre erarbeitet hatte. Vielleicht hätte es ihn nicht überraschen sollen. Denn jemand, der seine Aktivitäten vor der Inquisition hatte geheim halten können, wusste mit dem gleichen Geschick auch seine verschiedensten geschäftlichen Unternehmungen vor den Steuereintreibern der Stadt und der Kirche zu verbergen. Zhevons war bewusst, dass es Ahnzhelyk nicht darum gegangen war, Steuern zum eigenen Vorteil zu hinterziehen. Im Gegenteil: Sie hatte einige großzügig bemessene Bestechungsgelder und auch Steuern bezahlt - nur nicht unter ihrem eigenen Namen. Jetzt, da Zhevons wusste, wonach er Ausschau zu halten hatte, war es ihm gelungen, nicht weniger als neun vollständig gefälschte Geschäftsidentitäten zu entdecken, die Ahnzhelyk erfunden und aufrechterhalten hatte - in einem Falle seit fast sechsundzwanzig Jahren. Und Merlin war sich sicher, noch längst nicht alle gefunden zu haben. Schon vor Cayleb Ahrmahks Geburt hatte Ahnzhelyk ein ökonomisches Netzwerk in Zion aufgebaut, einschließlich einiger nicht ganz legaler Unternehmungen - und fast jeder von diesen Geschäftszweigen hatte Gewinne erwirtschaftet. Natürlich variierte das Ausmaß des Profits von Geschäft zu Geschäft - es fand sich alles von ›gerade einmal kein Verlust‹ bis hin zu ›Lizenz zur Münzprägung‹. Doch der Gesamtwert ihrer verschiedenartigsten Aktivposten war wirklich erstaunlich.
Auch dieses Lagerhaus und die Firma Bruhstair & Söhne gehörte dazu, ein legaler, höchst profitabler Lager- und Speditionsbetrieb, in dessen Besitz dieses Lagerhaus offiziell war. Natürlich trugen Bruhstair & Söhne, ebenso wie viele andere derartige Betriebe, vor allem hier in Zion, zum so genannten grauen Markt bei. Sogar in recht beachtlichem Maße. Frachttransporte Bruhstair, das eigentliche Unternehmen, das für Bruhstair & Söhne das Rollgeld erwirtschaftete, hatte schon seit siebenundfünfzig Jahren bestanden und mehr als zweihundert Mitarbeiter beschäftigt, als Ahnzhelyk es dem letzten ›& Söhne‹ abgekauft hatte (allerdings geschickterweise über Mittelsmänner). Unter ihrer Führung war das Unternehmen beträchtlich gewachsen. Ein derart großes und profitables Transportunternehmen (im letzten Jahr hatte es einen Gewinn von beinahe achtzigtausend Mark erwirtschaftet, und das war für eine Lagerfirma auf dem Festland geradezu atemberaubend) konnte in Zion nicht bestehen, ohne entsprechende Bedingungen mit den Mitgliedern des Vikariats und der Kirchenhierarchie im Allgemeinen auszuhandeln. So war es beispielsweise erstaunlich, wie wenige Importzölle auf Waren erhoben wurden, die für jemanden wie etwa ... na, zum Beispiel: Vikar Zhaspahr Clyntahn bestimmt waren.
Dergleichen hatte es schon immer gegeben, aber im letzten Jahrhundert hatte diese Art von Drachenhandel deutlich zugenommen. Mittlerweile machte sich niemand mehr die Mühe, auf anständigen Papieren zu bestehen. Zöllner und Steuereintreiber wussten genau, dass es keine gute Idee war, sich etwas genauer anzuschauen, das von einem der ranghöchsten Kirchenmänner abgezeichnet war. Langhorne stehe demjenigen bei, der naiv genug (oder dumm genug) war, etwas zu bemerken, was er besser nicht bemerkt hätte! Allerdings kam das nur selten vor - sehr selten.
Natürlich fand sich derartiges Pflichtbewusstsein nicht allzu oft. Als Zhevons das Thema Ahnzhelyk gegenüber angesprochen hatte, erfuhr er, der letzte ehrliche Zöllner in Zion sei vor etwas mehr als siebenunddreißig Jahren gesichtet worden. Nicht, dass die derzeitigen Zöllner ineffizient oder unfähig wären: Sie hatten lediglich sehr genau verstanden, dass ein ernst zu nehmender Anteil sämtlicher Geschäfte der Stadt (Zhevons ging derzeit von etwa fünfundzwanzig Prozent aus, und das mochte noch zu niedrig angesetzt sein) entweder durch oder für Vikare und Erzbischöfe getätigt wurden, die praktisch von der Steuer freigestellt waren. Da niemand sich je darum gekümmert hatte, Steuerfreistellungen offiziell zu vermerken, begriffen selbst die pflichtbewusstesten Zöllner sofort, es mit rechtswidrigen Geschäften zu tun zu haben.
Und wenn man das erst einmal begreift, dann muss man sich doch auch fragen, warum man sich nicht selbst ein kleines Nest anlegen sollte, dachte Zhevons bitter und verglich die Situation vor Ort und die zügellose Korruption, der dadurch noch weiter Vorschub geleistet wurde, mit den
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