Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eiserne Festung - 7

Die Eiserne Festung - 7

Titel: Die Eiserne Festung - 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
Vom Netzwerk:
stand, und deren Atemluft Wölkchen in der Kälte des Lagerhauses bildete, trug eine gesteppte Hose, Wildlederstiefel und einen dicken, aber praktischen und geradezu beklagenswert schlichten Wollpullover. Sie wirkte sehr bodenständig. Sie war schlank, gewiss, doch dabei irgendwie durchtrainiert. Das war ein erstaunlicher Unterschied zu der stets modischen, fast flatterhaften und irgendwie ätherischen Ahnzhelyk. Im Augenblick war sie darüber hinaus noch in einen Mantel gehüllt, der bemerkenswerte Ähnlichkeit mit den Wachmänteln besaß, wie sie von der Imperial Charisian Navy im Winter getragen wurden. Dieses Ding musste ungefähr das gleiche Gewicht haben wie Merlin Athrawes' Brustharnisch. Anscheinend aber war es ein Kleidungsstück, in dem Kleinigkeiten wie etwa ein eisiger Schneesturm gänzlich bedeutungslos waren.
    »Scherz?« Ahnzhelyk blickte zu ihm auf und fuhr sich mit der Hand durch das jetzt kurz geschorene Haar. »Wie kommen Sie denn auf so etwas, Ahbraim?«
    »Sie wollen mir erzählen, Sie haben das alles hier«, Zhevons vollführte eine Handbewegung, die das ganze Lagerhaus einschloss, »unmittelbar unter Clyntahns Nase eingefädelt?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    Auch Ahnzhelyk blickte sich jetzt in der großen Halle um. Wie alle Lager in Zion hatte man auch dieses zu Beginn des Winters bis unters Gebälk gefüllt, dieses hier vor allem mit Nahrungsmitteln. Ein Viertel der Lagerfläche hatte man allerdings für Säcke mit Gletscherherz-Kohle reserviert. Doch mittlerweile, so tief im Winter, waren mehr als zwei Drittel des gesamten Inhalts dieser Lagerhalle bereits fort (zweifellos mit beträchtlichem Gewinn verkauft), und entsprechend hatte man auch die Anzahl der Lagerarbeiter reduziert.
    »Eigentlich«, fuhr sie fort und widmete ihre Aufmerksamkeit wieder ganz ihrem Begleiter, »hatte ich einen Großteil der Vorbereitungen schon erledigt, lange bevor Clyntahn überhaupt als Großinquisitor bestätigt war.« Sie verzog das Gesicht, und ihre ausdrucksvollen Augen wurden deutlich trüber und ungleich kälter als das Innere des Lagerhauses, als sie diesen Namen aussprach. »Ich habe schon immer sehr viel davon gehalten, lange im Voraus zu planen, Ahbraim. Selbst damals, als ich noch töricht genug war zu glauben, nicht einmal das Vikariat könne so korrupt sein - so dumm -, jemanden wie Clyntahn zum Inquisitor zu ernennen. Und jetzt ...«
    Zornig deutete sie ein Schulterzucken an. Zhevons nickte. Nach Ahnzhelyks Verschwinden war ihr Informationsnetzwerk praktisch stillgelegt. Doch es bedurfte dieses Netzwerks auch kaum, um zu bestätigen, dass sogar ihre pessimistischste Einschätzung von Clyntahns Absichten erschreckend zutreffend gewesen war. Nicht ein einziges Mitglied aus Samyl Wylsynns ›Kreis‹ im Tempel oder in Zion war entkommen. Die Handvoll rangniedrigerer Bischöfe und Erzbischöfe, denen es gelungen war, vor Einbruch des Winters die Stadt zu verlassen, mochte vielleicht noch eine Chance haben, den Häschern der Inquisition zu entgehen. Aber niemand sonst hatte es geschafft - abgesehen von den Familienangehörigen, die Ahnzhelyk rechtzeitig erreicht hatte.
    Es hatte drei Tage gedauert, bis der Tod von Samyl und Hauwerd Wylsynn eindeutig bestätigt war. Ahnzhelyk hatte sich aus ihrer prächtigen Stadtvilla in das winzige Kämmerchen hier in diesem Lagerhaus zurückgezogen. Dann hatte sie sehr leise die Tür hinter sich zugezogen, und nur das übermenschliche Gehör eines PICAs hätte das leise, unterdrückte, untröstliche und bittere Schluchzen zu hören vermocht. Als sie dann eine Stunde später wieder herausgekommen war, hätte ein aufmerksamer Beobachter ihr die Tränen noch angesehen, sonst aber keine Anzeichen ihrer bodenlosen Trauer entdeckt.
    Die Wylsynns waren nicht die Einzigen, die es zu betrauern gab. Sie waren nur die Einzigen im ›Kreis‹ gewesen, die den Umfang von Ahnzhelyks Beteiligung daran gekannt hatten. Viele der anderen Mitglieder des ›Kreises‹ hatten sie aus ihrem Salon gekannt, und zahlreiche von ihnen hatten im Laufe der Jahre recht enge Freundschaft mit ihr geschlossen. Nur wenige hatten Ahnzhelyk ihre Berufswahl vorgeworfen, und die meisten hatten nach und nach von ihren karitativen Tätigkeiten erfahren, insbesondere von ihren Beiträgen zu den winterlichen Suppenküchen und Notunterkünften. Auch wenn Samyl und Hauwerd für sie nun auf ewig verloren waren, so waren sie doch wenigstens schon tot, ihren anderen Freunden war dieses Glück nicht beschieden.

Weitere Kostenlose Bücher