Die Eiserne Festung - 7
wichtigsten Teil.
Schweigen lag über ›Nimues Höhle‹. Dann streckte Sharleyan Ahrmahk die Hand aus. Sanft legte sie dem PICA, der ihren Freund beherbergte, die Hand auf den Unterarm. Sie lächelte.
»Ich hoffe, es wird Euch nicht verletzen zu hören, dass es hier doch ein wenig zu kühl ist, die Kleidung abzulegen, Doktor - selbst für ein Mädchen aus Chisholm.«
»Oh, das wird nicht nötig sein«, versicherte Merlin ihr und lächelte nun ebenfalls. Doch seine blauen Augen verloren ihre Härte, als er bemerkte, wie bewusst die Kaiserin von Charis das Thema gewechselt und damit gezeigt hatte, dass sie ihm den heimlichen Nanniten-Einsatz nicht verübelte. Kurz legte er zärtlich seine Hand auf die ihre. Dann deutete er mit derselben Hand auf den Untersuchungsstuhl. »Bitte legt Euch einfach auf diese Liege hier! Dann wird Owl alles Weitere übernehmen.«
Wieder betrachtete Sharleyan den etwas erhöhten Sessel und zuckte mit den Schultern. Erneut reichte Merlin ihr die Hand. Sie griff danach, stieg auf einen Tritt neben dem Sessel und streckte sich dann auf dem Behandlungsstuhl aus. Die Oberfläche des Möbelstücks bewegte sich unter ihr wie von selbst, passte sich ganz an ihre Körperkonturen an. Das nahm Sharleyan hin, ohne mit der Wimper zu zucken. Schließlich kannte sie das schon aus dem Andrucksessel des Aufklärer-Schwebebootes.
»Und jetzt bleibe ich einfach hier liegen? Ist das alles?«, fragte sie und hob den Kopf.
»Das ist alles«, bestätigte Merlin.
Vielleicht zwei Sekunden lang blickte Sharleyan ihn nur schweigend an. Dann holte sie tief Luft und lehnte sich wieder ganz in den Sessel zurück.
»Entspannt Euch einfach!«, ermunterte Merlin sie, und Sharleyan hob die Augenbrauen, als die Stimme des Seijin sich merklich veränderte. Das tiefe, männliche Timbre wurde höher, verwandelte sich in eine kehlige Altstimme, die Sharleyan noch nie zuvor gehört hatte, ohne die Charakteristika von Merlins Stimme dabei zu verlieren. Mit einem Mal begriff die Kaiserin, wen sie hier zum allerersten Mal hörte: Nimue Alban, nicht Merlin Athrawes!
Sie wandte den Kopf zur Seite und blickte Merlin an. Er lächelte. Es war ein sanftes, sonderbar trauriges Lächeln. Sharleyan neigte ein wenig den Kopf zur Seite und blickte ihren Freund fragend an.
»Ich war schon sehr lange nicht mehr Nimue, Sharleyan«, sagte die Altstimme, »aber mir kam der Gedanke, dass Ihr Euch angesichts der Umstände vielleicht in ihrer Gegenwart ein wenig wohler fühlen könntet als in Merlins. Abgesehen davon, werdet Ihr bald etwas erfahren, was sich Nimue immer gewünscht hat: Kinder ... Babys ... Zu Nimues Lebzeiten hat niemand, der auch nur einen Funken Verantwortungsbewusstsein hatte, noch Kinder in die Welt gesetzt. Nicht, wo man genau wusste, dass die Gbaba letztendlich doch alle umbringen würden.«
Sharleyan streckte die Hand aus und berührte erneut sanft Merlins/Nimues Unterarm, als sie die Trauer spürte, die hinter dem Lächeln auf diesem Gesicht verborgen lag.
»Ich wusste schon immer, dass ich niemals Kinder haben würde«, sprach Nimue weiter, verborgen hinter Merlins Gesicht und Merlins Bart. Das war das Sonderbarste, was Sharleyan jemals erlebt hatte, und doch barg das Ganze eine sonderbare Perfektion. Irgendwie war es einfach richtig so.
»Ich wusste, dass mir das niemals widerfahren würde. Aber ich hatte nicht gewusst, hätte mir nicht einmal vorstellen können, dass ich eines Tages hier stehen würde und eine Frau anschauen, die schon bald Mutter werden wird.« Traurig lachte Nimue auf. »Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, nicht wahr? Ich hatte immer damit gerechnet, jung zu sterben. Jetzt bin ich neunhundert Jahre alt, und werde vielleicht noch weitere neunhundert Jahre lang weiterleben - wer weiß das schon? Und trotzdem werde ich nie eigene Kinder haben.«
»Oh doch, das werdet Ihr!«, widersprach Sharleyan sanft. »Das hier ist Euer Kind, Merlin ... Nimue. Nur Euretwegen wird dieses Kind leben. Nur Euretwegen wird dieses Kind aufwachsen. Ohne Euch hätten Cayleb und ich einander niemals kennengelernt. Ohne Euch wäre ich im Kloster Sankt Agtha gestorben. Ohne Euch wäre Charis nur noch ein verkohlter Aschehaufen, und alle Charisianer wären längst tot. Ohne Euch würde die ›Vierer-Gruppe‹ gewinnen - Langhorne würde gewinnen. Die Heilige Schrift sagt, ein Kind sei mehr als nur das Fleisch seiner Eltern, und auch wenn die Heilige Schrift so viele Lügen birgt, heißt das doch nicht, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher