Die Eiserne Festung - 7
gibt nicht alles, was sie hat, um Schaden von ihren Kindern abzuwenden? Um die Schatten einesjeden Albtraums zu vertreiben? Um nicht nur jedes verschrammte Knie zu pflegen, sondern jede Verletzung auch der Seele zu verhindern? Alles in uns schreit danach, unsere Kinder von jeder Gefahr fernzuhalten. Sie zu beschützen. Sie zu hüten und jede Bedrohung von all jenen abzuwenden, die wir lieben.«
Immer noch herrschte völlige Stille in der Kirche. Langsam ließ Hahskans den Blick über die Gemeinde schweifen, blickte so vielen von ihnen direkt in die Augen, wie das eben möglich war.
»Auch Mutter Kirche hat die Aufgabe, von all ihren Kindern Schaden abzuwenden«, fuhr er fort. »Mutter Kirche ist die feste Burg, die Eiserne Festung der Kinder Gottes. Ihre Diener wurden von den Erzengeln persönlich geweiht, um Gott in der Welt zu dienen, und die Weisheit des Großen Lehrmeisters der Menschheit Seinem Volk nahezubringen. Die Gefahren für Sein Volk sind mannigfach - Seuchen, Unruhen, Sturm, Feuer, Erdbeben ... und Krieg. In solchen Zeiten wenden sich Seine Kinder eben Seiner Heiligen Kirche zu, so wie ein Kind im Sturm die schützenden Arme seines Vaters sucht und die Umarmung der Mutter, wenn des Nachts die Albträume kommen. Die Kirche ist unsere Heimstatt, unser Zufluchtsort, unsere Maßlehre in einer Welt, die nur allzu oft von Gewalt und Grausamkeit und dem Ehrgeiz der Menschen verdorben wird. Wie die Heilige Bédard uns selbst lehrt, ist die Kirche jenes große Leuchtfeuer, jene Lampe, aufgestellt auf einem Hügel, auf dass sie uns alle erleuchte und erhelle ebenso wie jeden Zoll von Gottes Schöpfung, ein Widerschein Seines Heiligen Lichtes.«
Wieder hielt Hahskans inne. Er spürte die Anspannung seiner Gemeinde, fühlte, wie ihre Blicke auf ihm lasteten, während sie seinen Worten lauschten. Erneut atmete Hahskans tief durch.
»Dies sind Zeiten der Unruhe und des Krieges«, sprach er ruhig weiter. »Unser Fürstentum wurde angegriffen. Unser Prinz wurde gemeuchelt und mit ihm auch sein Sohn und Erbe. Eine fremde Armee hat unser Land erobert, und der Klerus einer fremdartigen Kirche - einer abtrünnigen Kirche, die sich von Mutter Kirche abgespalten hat und gegen Mutter Kirche Krieg führt - ist zu uns gekommen und verbreitetet furchterregende, ketzerische Lehren. Tausende unserer Väter, Söhne und Brüder kostete die Schlacht im Darcos-Sund das Leben, oder sie sind in der Nähe ihrer eigenen Heimstatt gefallen, als sie ihren Grund und Boden verteidigten. Und während wir diese Gezeiten der Katastrophe betrachten, diesen Strudel der Zerstörung, rufen wir nach Gott und den Erzengeln - nach Mutter Kirche - und suchen nach dem uns versprochenen Schutz und der uns verheißenen Führung. Wir ersehnen innere Erleuchtung, die uns alle inmitten einer solchen allumfassenden Finsternis zum Licht zu führen vermag. Die es uns erlaubt, in all dem Chaos immer noch einen Sinn zu sehen und trotz Donnergrollens noch Gottes Stimme zu vernehmen.
Ich weiß, dass es viele in diesem Fürstentum gibt, sogar hier in dieser Stadt, die uns auffordern, uns in gerechtem Widerstand zu erheben, uns gegen die fremden Schwerter und Bajonette zu stellen. Sie möchten, dass wir die Ketten und die Schande der Unterdrückung abwerfen. Ich weiß, dass viele von euch, meine Kinder, verängstigt und verwirrt sind, weil die Priesterschaft von Mutter Kirche den Zusammenhalt verliert und sich in widerstreitende Gruppen aufspaltet. In Gruppen, die einander wechselseitig als Verräter, Ketzer und Abtrünnige schmähen. ›Gotteslästerer!‹, schreit der eine, ›Verführer der Unschuldigen!‹ versetzt der andere. Und wenn die Hirten einander angreifen, wo soll dann die Herde Schutz finden? Und wo Wahrheit?«
Er löste seine Finger aus der fast krampfartigen Verschränkung und strich sehr sanft und ehrfürchtig über den Buchdeckel des Folianten, der vor ihm lag.
»Hier, meine Kinder.«
Er sprach jetzt leise. Jene, die am weitesten von der Kanzel entfernt saßen oder standen, mussten sich ernstlich anstrengen, ihn zu verstehen, obwohl seine ausgebildete Stimme, selbst wenn er noch so leise sprach, die ganze Kirche ausfüllte.
»Hier«, wiederholte Pater Tymahn, »in diesem Buch. In dem Buch. In Gottes Eigenem Wort, und in den Worten der Erzengel, die Er auf diese Welt geschickt hat, auf dass sie Sein Werk tun und uns Sein Gesetz bringen. Hier werden wir die Wahrheit finden.
Doch ...«, jetzt erhob er die Stimme wieder, »wie Langhorne selbst
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