Die Eiserne Festung - 7
den Fehler anzunehmen, jeder, der die Kirche von Charis unterstützte, würde damit zugleich auch das Kaiserreich Charis gutheißen. So einfach funktionierte die Welt nicht. Doch zugleich wusste Merlin auch - dank der einzigartigen Einblicke, die ihm seine SNARCs gewährten -, dass der Zorn ob der Korruption der ›Vierer-Gruppe‹ nie ausschließlich auf das Königreich Charis beschränkt gewesen war. Selbst Merlin war es nicht gelungen, die Macht dieses Zorns richtig einzuschätzen, der unter der Oberfläche gärte. Denn mit ihrer repressiven Macht hatte die Kirche - und vor allem die Inquisition - dafür gesorgt, dass jener Zorn auch immer schön unter der Oberfläche blieb. Er war ungesehen und ungehört geblieben an all jenen Orten, an denen es nicht gestattet war, sich der Autorität und der Macht der Kirche entgegenzustellen - und jenen Männern, die sich selbst zu Herren der Kirche aufgeschwungen hatten.
Es gab noch andere wie diesen Hahskans. Merlin wusste das, schon seit er den Machtkampf zwischen Zion und Charis herbeigeführt hatte. Niemals hatte er daran gezweifelt, dass Männer wie Hahskans für sich das Recht in Anspruch nehmen würden, frei zu sprechen, auch über die neue Kirche von Charis. Merlins Hoffnung war es, sie alle würden ihre Stimme erheben, sobald die Inquisition ihnen nicht mehr das Wort verbieten konnte. Mit Befriedigung hatte er Tymahn Hahskans' Namen auf der Liste derer gesehen, die bei Klairmant Gairlyngs erster Proklamation als Erzbischof von Corisande in ihrem Amt als Pfarrer bestätigt wurden. Ob das Hahskans selbst nun bewusst war oder nicht, die SNARCs hatten Merlin schon vor langer Zeit verraten, dass der Pfarrer von Sankt Kathryn einer der angesehensten Priester von ganz Manchyr war. Hahskans verdiente den Respekt, den ihm der Laienstand der Hauptstadt von Corisande zollte. Er war ein begnadeter Prediger, ja. Aber der wahre Grund, weswegen Pater Tymahn Hahskans so respektiert wurde - ja, sogar geliebt -, war, dass nur der Blindeste oder der Zynischste ihm Verstand, Integrität und Gottes- wie Menschenliebe hätte absprechen können, die allesamt diesen Mann Gottes erfüllten.
Und er ist ein Mann Gottes, dachte Merlin. Ob man das durch das Prisma der Kirche des Verheißenen betrachtet oder nicht, Hahskans hat wirklich seinen eigenen Weg zu Gott gefunden. Wie er selbst sagt, ist er nicht der einzige Priester in Corisande, der die Korruption in Zion mit eigenen Augen gesehen hat. Aber es gibt verdammt noch mal keinen anderen Mann in ganz Manchyr, der es deutlich furchtloser hätte anprangern können! Hätte ich jemals an der Existenz Gottes gezweifelt, so ist doch die Tatsache, dass sich ein solcher Mann in einer Kirche mitten in Manchyr finden ließ, ein eindeutiger Beweis dafür.
Der Mann, der einst Nimue Alban gewesen war, schüttelte erneut den Kopf. Obwohl er niemals wieder Sauerstoff benötigen würde, atmete er tief durch.
»Also gut, Owl«, sagte er leise. »Jetzt gib mir mal die Mitschnitte aus der Kathedrale von Manchyr. Ich bezweifle zwar, dass Erzbischof Klairmant das eben Gehörte noch überbieten kann, aber wir sollten ihm wenigstens eine Chance geben.«
»Selbstverständlich, Lieutenant Commander«, erwiderte die KI aus weiter Ferne gehorsam, und Merlin schloss wieder die Augen.
.VII.
IHNS Eisechse , Stadt Yu-Shai, Provinz Shwei, Kaiserreich Harchong
»Willkommen an Bord, Mein Lord.«
»Ich danke Ihnen«, erwiderte Phylyp Ahzgood. »Captain ...?«, setzte er noch hinzu und hob fragend eine Augenbraue, während er die Verneigung des untersetzten, bärtigen Mannes in der Uniform der Kaiserlichen Marine von Harchong erwiderte. Der Mann hatte ihn am oberen Ende des Laufstegs bereits erwartet.
»Yuthain, Mein Lord. Captain Gorjha Yuthain, von der Marine Seiner Kaiserlichen Majestät, zu Ihren Diensten.« Wieder verneigte sich der Offizier, dieses Mal noch tiefer. In seiner Bewegung lag ein gewisser Schwung, den anscheinend nur ein echter Harchongese zustande bekam.
»Ich danke Ihnen, Captain Yuthain«, wiederholte Graf Coris. Er wusste es zu schätzen, wenn ein Offizier sich angemessen vorstellte. So lächelte er in aufrichtiger Dankbarkeit - wenngleich er ein wenig erschöpft war.
Es war nicht das erste Mal, dass er Yu-Shai besuchte. Bei seinem letzten Besuch hatte er der Stadt kaum Beachtung geschenkt. Es war nicht die Bevölkerung, die ihn beunruhigte. Doch Stadtbewohner wie Provinzverwaltung legten ganz genau die Arroganz und das unerträgliche Gefühl
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