Die Eiserne Festung - 7
Kaiserpaar. Die beiden hatten ja den großen Vorteil, von dicken Mauern umgeben zu sein, und vor ihrer schweren Tür aus massiver Fasteiche standen zwei Kaiserliche Gardisten, die Merlin Athrawes und Ehdwyrd Seahamper persönlich für diesen Dienst ausgewählt hatten. Niemand würde Kaiser und Kaiserin nahe genug kommen, sie belauschen zu können.
Staynair hingegen verbarg sich gerade in der Admiralskabine an Bord von HMS Daum Wind, einer der neueren Galeonen der charisianischen Flotte. Für ein Quartier an Bord eines beengten, überfüllten Kriegsschiffs war diese Kabine erstaunlich geräumig, durchaus angemessen der Würde eines Erzbischofs und der Privatsphäre, die sein Amt häufig erforderte - ganz zu schweigen davon, dass er auch seine Ruhe brauchte, um sich ungestört in Meditation und Gebet zu versenken. Trotzdem befand sich diese geräumige Kabine an Bord eines beengten, überfüllten Kriegsschiffs. Mit anderen Worten: die Schotts waren sehr dünn, die Türen bestanden nicht aus massiver Fasteiche, und jederzeit konnte jemand hereinkommen, der die Privatsphäre des Erzbischofs empfindlich störte. Glücklicherweise hatte Staynair es sich bereits zur Gewohnheit gemacht, sich an jedem Abend in seine Kabine zurückzuziehen, um durch das große Heckfenster den Sonnenuntergang zu genießen und zu meditieren. Solange er nicht übermäßig laut sprach - und das Oberlicht der Kabine geschlossen hielt-, war es unwahrscheinlich, dass jemand ihn belauschte. Schließlich gab es an Bord eines jeden Schiffs unter Segeln unvermeidbare, mitunter recht laute Geräusche. Noch unwahrscheinlicher war also, dass jemand, der Staynair tatsächlich sprechen hörte, seine Worte auch verstünde. Logischerweise würde ein solcher Lauscher also annehmen, der Erzbischof bete. Und jeder an Bord würde sich dann so rasch wie möglich aus der Hörweite zurückziehen.
»Meines Erachtens«, fuhr der Erzbischof jetzt fort, »wird man in Emerald ebenso erfreut sein, von Eurer Schwangerschaft zu erfahren wie im Alten Charis oder in Chisholm, Sharleyan. Sie haben sich jetzt für unsere Seite entschieden - und das wissen sie auch -, und sie sind ebenso begierig darauf, die Erbfolge geregelt zu wissen, wie jeder andere.«
»Wirklich?«, fragte Sharleyan nach. »Nun, auch ich hatte diesen Eindruck«, gestand sie, »zugegebenermaßen mit der Befürchtung, es sei Wunschdenken meinerseits.« Ein wenig gequält verzog sie das Gesicht. »In mancherlei Hinsicht macht der Zugang zu Merlins SNARCs es nur noch schwieriger zu erfahren, was das Volk wirklich denkt. Ich habe Jahre damit verbracht zu erlernen, wie man eine Lage möglichst genau abschätzt. Ich habe gelernt, Berichte aus zweiter oder dritter Hand sinnvoll auszulegen. Aber jetzt höre ich das Volk direkt. Ich sehe es mit eigenen Augen und muss herausfiltern, was wichtig ist und was nicht. Das ist richtig schwierig! Kein Wunder, dass Merlin hin und wieder unter dem erstickt, was er gerne Daten-Overload nennt!«
In ihrer Stimme schwang echtes Mitgefühl mit. Cayleb nickte zustimmend. So ganz genau verstand er immer noch nicht, wie diese Hochgeschwindigkeits-Dateninterfaces funktioniert haben sollten, über die Merlins PICA-Körper einst verfügt hatte. Aber Cayleb brauchte auch nicht zu verstehen, wie es funktionierte, um zu begreifen, was es zu leisten vermochte. Oder zu begreifen, wie bitter Merlin es bedauerte, darauf eben nicht mehr zugreifen zu können. Nachdem Cayleb nun selbst erfahren hatte, welche Unmengen an Bild- und Tonmaterial durch Merlins planetenumspannendes Netzwerk aus Aufklärer-Plattformen strömten, wünschte er, er selbst hätte so ein Hochgeschwindigkeits-Interface!
Glücklicherweise machten sie wenigstens Fortschritte. Auch wenn Cayleb sich nicht ganz sicher war, schien ihm Owl doch nach und nach besser darin zu werden, Informationen zu sortieren und nach Prioritäten zu ordnen. Owls Hilfe war unschätzbar, sicher. Aber es war eben auch immens hilfreich, dass Merlin in der Lage war, Auswertungen von bestimmten Mitschnitten seiner Aufklärer an andere zu delegieren. Natürlich hatte das seine Grenzen. Niemand verfügte über so etwas wie Merlins eingebaute Kom-Ausrüstung. Alle anderen mussten mit normal lauter Stimme sprechen, um mit Owl (oder jemand anderem) zu kommunizieren. Subvokalisieren konnten sie nicht. Das schränkte natürlich immens ein, wann und wo sie mit der KI oder untereinander in Kontakt treten konnten. Zudem bestanden sie alle nur aus Fleisch und Blut.
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