Die Eiserne Festung - 7
gern etwas sehr Scharfkantiges, Spitzes zwischen die Rippen gerammt hätten. Ihre Zahl musste gewaltig sein. Einen Versuch hatte es schon gegeben - und das auch noch in seiner eigenen Kathedrale. Wer vermochte schon zu sagen, welche Gelegenheit sich böte - oder sich herbeiführen ließe -, das Gleiche noch einmal in der Kathedrale eines anderen Bischofs zu versuchen! Andererseits musste der Erzbischof persönlichen Kontakt zu so vielen Angehörigen des neuen Klerus knüpfen, wie nur denkbar war. Schließlich war ihm daran gelegen, dass besagter Klerus ihm eines auch abnahm: nämlich dass ihm in diesen Zeiten der Kirchenspaltung ihre Sorgen, Nöte und Gewissenskonflikte am Herzen lagen.
Und das alles liegt ihm wirklich am Herzen, dachte Sharleyan. Wirklich und wahrhaftig! Er versteht ganz genau, was er ihnen allen abverlangt. Wer ihn fünf Minuten lang erlebt, muss gänzlich von Intoleranz und Hass geblendet sein, damit ihm das entgeht. Deshalb sind die persönlichen Kontakte unabdingbar. Es spielt keine Rolle, dass ich ihn am liebsten in der Kathedrale von Tellesberg und im Erzbischöflichen Palast in Sicherheit wüsste.
»Also seid Ihr, zumindest was Emerald betrifft, zufrieden. Was die Kirche betrifft, meine ich«, sagte Cayleb, und Staynair nickte.
»Ich glaube nicht, dass Prinz Nahrmahns Emeraldianer ganz so viel ... sagen wir: Feuereifer zeigen wie wir zu Hause«, entgegnete er. »Andererseits sollten ja auch nicht die Emeraldianer dem Willen der ›Vierer-Gruppe‹ nach vergewaltigt und ermordet werden. Gleichzeitig bin ich zutiefst befriedigt darüber, wie klar das Volk in Emerald die grundlegende Korruption erkennt, die die ›Vierer-Gruppe‹ überhaupt erst an die Macht hat kommen lassen. Langsam bin ich überzeugt davon, dass viele Kirchenmänner das bereits lange vor Nahrmahns Entscheidung, Euch Lehnstreue zu schwören, erkannt hatten. Vielleicht bin ich zu optimistisch, wenn ich behaupte, es seien sogar die meisten Kleriker. Aber glaubt mir: Diejenigen, die das begriffen haben, wissen auch, dass sie Clyntahns nächstes Ziel hätten werden können. Wir könnten an vielen Orten möglicherweise eine stärkere Reform-Bewegung und noch mehr Hingabe erleben, als wir ursprünglich erwartet haben.«
»Reformistische Hingabe«, griff Cayleb den Gedanken auf, und wieder nickte Staynair, deutlich zurückhaltend. Er brachte viel mehr Zurückhaltung auf, als Sharleyan an seiner Stelle sicher war, zeigen zu können.
»Einen Schritt nach dem anderen, Cayleb!«, riet ihm der Erzbischof ruhig. »Einen Schritt nach dem anderen! Merlin hatte Recht, als er sagte, Gott könne durch jede Ritze schlüpfen, wann immer es Ihm beliebe. Wir werden allerdings zulassen müssen, dass Er das nach Seinem Ermessen und Zeitplan tut. Zunächst einmal sollten wir versuchen, den größten, offensichtlichsten Missbrauch zu bekämpfen. Wenn wir das Volk erst einmal dazu gebracht haben, ernstlich über Fragen der kirchlichen Lehren nachzudenken, ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir versuchen können, ihnen ... wesentlichere Veränderungen nahezulegen.«
»Damit hat er Recht, Cayleb«, meinte Sharleyan leise. Cayleb blickte sie an. Sie streckte die Hand aus und strich ihm über die Wange. Dieses Gespräch hatten sie schon oft genug geführt. Sie wusste, wie sehr es an seinem Pflichtgefühl zerrte, der Kirche des Verheißenen nicht einfach die Maske von der Fratze reißen zu dürfen. Er wollte die widerlichen Lügen enthüllen, all die Verdrehungen des Glaubens, auf denen diese Kirche beruhte. Das nicht zu tun, war die größte Herausforderung seines Lebens.
»Ich weiß, Liebste«, erwiderte Cayleb. »Es muss mir ja nicht gefallen. Und es gefällt mir tatsächlich nicht. Aber ich weiß, dass er Recht hat.«
»Darüber hinaus glaube ich«, fuhr Staynair fort, »der junge Saithwyk könnte vielleicht wirklich einen guten Kandidaten für den Inneren Kreis abgeben - in ein oder zwei Jahren.«
»Ihr beliebt zu scherzen!« Sharleyan bemerkte, dass sie sich unwillkürlich in ihrem Sessel aufgerichtet hatte, die Augen weit aufgerissen.
»Ich weiß nicht, was Euch auf diesen Gedanken bringt, Eure Majestät.«
Staynairs Tonfall war ruhig. Doch in seinen Augen war ein gewisses Funkeln nicht zu übersehen. Sharleyan kniff die Augen zusammen. Fairmyn Saithwyk war der neugeweihte Erzbischof von Emerald. Er war kaum vierzig Jahre alt - also weniger als siebenunddreißig terranische Standard-Jahre. Er entstammte einer konservativen Familie. Das
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