Die Eiserne See - Brook, M: Eiserne See
hatte haben wollen. Es war nicht der Alkohol gewesen, der ihr solche Angst gemacht hatte. Und Wein war auch nicht der Grund, dass sie ihn jetzt nicht einladen konnte einzutreten.
Sie versuchte, sich das andere nicht zu wünschen. Es war nicht gut, gegen etwas anzukämpfen, das sie nicht ändern konnte – und ihre Vergangenheit war unabänderlich. Sie konnte weder die Orgie ungeschehen machen noch die Panik, die ihr Begehren hervorrief.
Sie riss sich zusammen und fragte rasch: »Für den Rest Eures Lebens? Ich bin sicher, das ist nicht notwendig. Nachdem wir die Terror gefunden haben, kehren wir nach London zurück und werden nicht … «
»Es muss sein.« Seine Stimme war leise und unerbittlich. »Ich hätte dich absichtlich nie verletzt oder verängstigt. Ich war zu benebelt, um zu bemerken, dass ich es getan habe. Das tut mir leid.«
Sie wollte lachen und konnte es nicht. »Nur das?«
»Es tut mir nicht leid, eine Kostprobe von dir bekommen zu haben.« Sein Blick wanderte zum Bett, und er zeigte ein zerknirschtes Lächeln. »Obwohl es das vielleicht sollte.«
Mina tat es auch nicht leid. Doch sie sagte es nicht. Er begegnete erneut ihrem Blick. Und nach einem langen Schweigen ging er.
Das Blau des Mittelmeeres hatte mehr Grünanteil als das des Kanals. Mina beobachtete, wie die Frachtkähne der Horde weit unter ihr über das Meer fuhren und die Ernte aus Europa in die Häfen des Orients transportieren, von wo sie in östlicher Richtung ins Zentrum des Imperiums gebracht wurde. Die Sonne ging unter, als sie sich der nordafrikanischen Küste näherten, und die Frachtkähne wichen den Luftschiffen, die zwischen den großen, von Mauern umgebenen Städten Ägyptens und Marokkos reisten. Obwohl Minas Herz bei jedem Schiff, das sie entdeckte, zu klopfen begann, überflog die Lady Corsair Meer und Küste unbehelligt. Sie sah so lange zu, bis es dunkel wurde.
Der Herzog redete kaum während des Abendessens. Er verbrachte die Zeit vielleicht damit, sie anzuschauen; Mina war sich nicht sicher. Sie konzentrierte sich auf ihren Teller und machte Pläne, um der Kabine der Kapitänin so schnell wie möglich zu entkommen. Deshalb war sie ein wenig bestürzt, als Scarsdale nach dem Essen fragte: »Sind Sie bereit, etwas über Hunt zu erfahren?«
Sie blickte auf. Trahaearn hatte sie tatsächlich beobachtet, doch wandte er sich jetzt stirnrunzelnd an Scarsdale.
Yasmeen murrte. »Schon wieder? Du erzählst die Geschichte sonst nur, wenn du angetrunken bist – aber davon bist du noch weit entfernt.«
»Ich bringe dich zum Schnurren, während ich sie erzähle.« Scarsdale zog sie an sich. Als er das Stirnrunzeln des Herzogs bemerkte, sagte er: »Die Inspektorin hat die Narben gesehen, als sie letzte Nacht in deiner Koje lag. Ich habe ihr erzählt, woher ich sie habe, und ihr versprochen, auch den Rest zu erzählen.«
Das freudlose Lächeln umspielte erneut Rhys’ Mund. »Verstehe«, sagte er und griff über den Tisch nach Yasmeens silbernem Zigarillo-Etui und dem Funkenfeuerzeug.
Yasmeen schaute ihn mit einem Schmunzeln an. »Diesmal brauchst du es also nicht?«
»Und ob.« Er lehnte sich gegen ein Kissen, streckte das linke Bein aus und legte den Arm um das angezogene rechte Knie. Er betrachtete Mina über einen Rauchring hinweg und hatte wieder diesen teilnahmslosen Ausdruck. »Doch ich tausche ein Bedürfnis gegen ein anderes.«
Sie bemühte sich, seinen Blick zu erwidern, ohne sich den Schmerz anmerken zu lassen, den sie in ihrer Brust spürte. Wie dumm, ihn überhaupt zu fühlen. Sie wollte seine Aufmerksamkeit nicht. Doch sie ging davon aus, dass niemand gerne gegen einen Zigarillo eingetauscht wurde.
Sie blickte zu Scarsdale, und nur ihre Entschlossenheit, nichts von ihren Gefühlen preiszugeben, erlaubte es ihr, sich ihren Schrecken nicht anmerken zu lassen. Er lag auf der Seite, während Yasmeen auf dem Rücken ausgestreckt vor ihm lag und träge rauchte, den Kopf auf ein Kissen gestützt. Seine Hand streichelte über ihren Bauch unter der herausgezogenen Bluse. Vor den Augen von Mina und Trahaearn.
Ihr Schrecken verwandelte sich in Unwohlsein. Sie war kein Fräulein aus Manhattan City, doch sie war einen solchen Anblick nicht gewöhnt, nicht einmal einen, bei dem es eher um körperlichen als sexuellen Genuss ging. Mina hob ihr Glas mit geeister Zitronenlimonade und wünschte sich, es wäre Wein. Gestern hatte sie sich so zufrieden gefühlt. Und heute fühlte sie sich vollkommen fehl am Platz bei diesen
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