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Die Eisfestung

Titel: Die Eisfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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aber Emily war nicht bereit, so schnell aufzugeben. »Sag einfach, dass du bei einem Freund in King’s Lynn übernachtest. Du wirst sehen, das geht ganz problemlos. Vorausgesetzt natürlich dass du einen Freund hast.« Kurzes Schweigen. Sie blickte ihn an. »Du hast doch ein paar Freunde, Marcus, oder?«
    Marcus antwortete nicht. Emily begann, sich unbehaglich zu fühlen, und startete einen letzten verzweifelten Versuch. »Na, okay«, sagte sie. »Mach dir nichts draus. Wenn du aus irgendeinem Grund nicht mitkommen kannst, geht das voll in Ordnung. Bleib ruhig zu Hause. Simon und ich machen es auch allein.«
    Das rief eine heftigere Reaktion hervor, als sie erwartet hatte. Marcus griff nach ihrem Arm.
    »Aua! Marcus – das tut weh!«
    »Nicht ohne mich! Ihr macht hier nichts ohne mich! Wem gehört die Burg – wer hatte die Idee, durch die Maueröffnung einzusteigen? Ich! Es war meine Idee. Ohne mich würdet ihr immer noch wie kleine Kinder da draußen im Schnee herumspielen! Glaubt nicht, dass ihr hier herumstolzieren könnt, als ob das alles euch gehören würde!«
    »Schon gut!« Emily zerrte seine Hand weg. Marcus atmete immer noch schwer und blickte wild um sich. »Alles in Ordnung, Marcus! Dann bist du also dabei! Sehr schön! Wir alle drei, so soll es auch sein. Lasst es uns gleich morgen machen. Warum viel Zeit verlieren?«
    »Und was wirst du deinen Eltern jetzt erzählen, Marcus?«, fragte Simon.
    Marcus gab einen undeutlichen Laut von sich. »Nichts. Brauch ich nicht. Mein Vater arbeitet nachts.«
    »Und deine Mutter?«
    Die Antwort war wie ein Blitzschlag. »Ich brauch sie nicht um Erlaubnis fragen, Simon. Sie ist tot.«
    »Oh.«
    Die Sonne war schon fast hinter dem Horizont verschwunden. Der Schnee auf den Feldern von Castle Field hatte sich rötlich verfärbt. Sie standen schweigend da.
    Marcus faltete die Broschüre zusammen und steckte sie in seine Anoraktasche. »Die Sonne ist gleich weg«, sagte er. »Wir sollten von hier verschwinden.«
    »Tut mir leid, Marcus«, sagte Emily.
    »Wir sollten jetzt besser verschwinden«, sagte Marcus.

INBESITZNAHME

5
    D er Tag hätte für die Durchführung ihres Plans nicht besser ausgewählt sein können. Den ganzen Vormittag über hatte es stürmisch geschneit, aber als sie sich um halb drei Uhr wie am Tag zuvor an der Hecke trafen, hatten sich die Wolken etwas gelichtet, und der eisige Wind hatte nachgelassen. Eine merkwürdige Stille lag über der Landschaft; alles war wie in Watte gepackt. Jeder Ast und jeder Zweig war von einer dicken Schneeschicht umhüllt. Von den Häusern hinter dem Wald stiegen dünne Rauchkringel empor. Der Himmel war von einem dumpfen, bleiernen Weiß.
    Da sie kaum mehr als eine Stunde Zeit hatten, bevor die Dämmerung einsetzte, trödelten sie nicht lange herum. Bis es dunkel wurde, musste alles gerichtet sein. Jeder trug einen schweren Rucksack und alle drei schwitzten, was das Zeug hielt. Unter ihren dick ausgestopften Jacken hatten sie so viele Schichten wie möglich an. Wortlos stapften sie durch den Schnee, quetschten sich nacheinander durch das Loch in der Hecke und setzten den nun schon vertrauten Weg fort, den Burggraben runter und wieder rauf, am Turm vorbei und danach an der Mauer entlang.
    »Hey, du siehst aus wie das Michelin-Männchen«, flüsterte Marcus Simon zu, als sie an der Steilrampe, unterhalb der Öffnung, kurz eine Atempause einlegten. »Wie viele Pullis hast du denn übereinander an?«
    »Sechs. Hab sie mir von meinen Brüdern geschnappt. Und dann noch zwei im Rucksack.«
    »Glücksscheißer – ich hab nur vier, jetzt und überhaupt.«
    »Super getarnt, was?«, sagte Simon. »Da! Man muss schon ganz genau hinschauen.« Er deutete auf die Schnur, die er um die Hüfte gewickelt hatte, als er das erste Mal die Mauer hochgeklettert war. Jetzt hing sie schlaff aus der Maueröffnung herunter und verschwamm mit dem grauen und weißen Stein. Ihr Ende baumelte knapp über dem Mauerknick zwischen Steilrampe und senkrechter Wand. Hinter der Öffnung, und deshalb nicht zu sehen, war sie mit dem Anfang des dort aufgerollt liegenden Seils verknotet. Als Marcus und Emily am Vortag unten angekommen waren, hatte Simon das Seil hochgezogen und hinter der Mauer versteckt, dann hatte er die Schnur in die Tiefe fallen lassen. Danach war er selbst vorsichtig heruntergeklettert und das letzte Stück der Steilrampe auf dem Hintern hinuntergerutscht.
    »Wenn Harris scharfe Augen hat, würde er das entdecken«, sagte Emily.
    »Besser

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