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Die Eisfestung

Titel: Die Eisfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Route durch die Kapelle wird geschützter sein, falls es schneien sollte oder sonst was. Lasst uns den Weg nehmen. Dann kann ich euch auch noch die Gusslöcher zeigen.«
    »Wir müssen die Tür schnell wieder zumachen«, sagte Simon. »Damit die Wärme drinbleibt.«
    Marcus öffnete die Tür und machte ein paar Schritte zu der stockdunklen Wendeltreppe. Der Strahl seiner Taschenlampe streifte die graubraunen Steine des Mittelpfeilers, die kalt schimmerten. Dann begann er, die ersten Stufen hinunterzusteigen, gefolgt von Simon und danach Emily, die sorgsam die Tür hinter sich zugezogen hatte.
    »Passt auf, dass kein Licht durch die Fenster nach draußen dringt«, flüsterte sie. »Man kann nie wissen, ob uns nicht jemand beobachtet.«
    »Wir sind hier sicher«, flüsterte Simon zurück. »Das Dorf liegt auf der anderen Seite.«
    »Trotzdem...«
    Langsam gingen sie hintereinander die Wendeltreppe hinab, Simon und Emily den schwarzen Umriss von Marcus vor sich, dem das schaukelnde Licht seiner Taschenlampe voranhuschte. Die eiskalte Luft biss ihnen ins Gesicht. Bei dem Treppenabsatz ein Stockwerk tiefer wandte Marcus sich nach rechts und bog in den Gang ein, der in die Kemenate führte. Dort angekommen ließ er seine Taschenlampe kreisen, sodass der Kamin und die verbarrikadierte Türöffnung in den zerstörten Rittersaal kurz angestrahlt wurden. Doch Marcus verlor keine Zeit. Er achtete nicht weiter auf den Steinbogen rechts – »Da ist der Abort«, flüsterte er den anderen über die Schulter zu – und steuerte schnurstracks auf die Türöffnung an der gegenüberliegenden Wand zu. Dahinter lag ein weiterer, etwas kleinerer Raum.
    »Die Kapelle«, flüsterte er.
    »Warum flüstern wir eigentlich?«, antwortete Simon genauso leise.
    »Weiß ich nicht.«
    »Sollen wir damit aufhören?«
    »Können wir gern.«
    Aber das war leichter gesagt als getan. Die Burg umschloss sie ringsum. Die Stille war so groß, dass sie es als Verstoß empfunden hätten, laut zu sprechen. Sie waren alle drei mit der Ruhe auf dem Land vertraut. Trotzdem waren dort immer Geräusche zu hören: das Summen einer entfernten Straße, die Geräusche von Traktoren und anderen Maschinen, Vogelgezwitscher, der Wind in den Bäumen. Auch die Stille der Nacht war normalerweise voller Geräusche: Eulenrufe, einsame Autos, Hundegebell und immer wieder, unermüdlich, der Wind. Doch hier, im Innern der Burg, herrschte eine zweigestaltige Stille. Die Stille auf dem Land und die Stille der Nacht waren gleichzeitig vorhanden und steigerten sich, und obwohl Emily, Marcus und Simon dies nicht als bedrohlich empfanden, machte sie diese doppelte Stille vorsichtig und ehrfürchtig. Behutsam setzten sie Fuß vor Fuß und schlichen lautlos durch das Dunkel, wie Diebe in einem schlafenden Haus.
    Simon und Emily folgten dem unruhig wandernden Strahl der Taschenlampe vor ihnen, sie konnten sehen, wie Marcus’ Atem in der kalten Luft gefror. Er führte sie durch die Kapelle, dann erneut unter einem Bogengang hindurch in einen Raum, dessen Größe und Gestalt sie nicht deutlich erkennen konnten. Dicke Säulen aus mächtigen Steinblöcken ragten empor. Marcus deutete mit seiner Taschenlampe nach oben.
    Am Ende des dünnen Lichtstrahls war statt der Decke ein schwarzes Loch.
    »Da ist das Gewölbe eingestürzt«, sagte er leise. »Man kann die Sterne sehen.«
    »Dreh das Licht weg«, sagte Simon. »So kann ich den Himmel nicht sehen.«
    Marcus senkte die Lampe nach unten – und plötzlich durchschnitt etwas pfeilschnell den Lichtkegel, abwärts sausend, ein verschwommener Fleck. Ein Lufthauch strich über ihre Gesichter. Marcus ließ die Taschenlampe fallen. Ein Knacken. Das Licht ging aus.
    Dunkelheit. Stille.
    »Alles in Ordnung, ihr zwei Dummköpfe«, sagte Simons Stimme. »Das war eine Fledermaus. Vielleicht auch zwei.«
    »Ist mir egal, was es war.« Die Stimme von Marcus klang leicht zittrig und kam von irgendwo aus Bodenhöhe. »Mach deine verdammte Taschenlampe an. Ich kann meine nicht finden.«
    »Wenn ihr jetzt hochschaut, könnt ihr die Sterne sehen.«
    In der gestaltlosen, raumlosen Dunkelheit schimmerten winzige schwache Lichtpunkte. Wie unzählige Nadelstiche, dachte Emily, die angestrengt nach oben blinzelte.
    Marcus’ Stimme ertönte wieder. »Sehr hübsch. Jetzt kümmert euch mal wieder um das Licht hier unten...«
    Emily machte ihre Taschenlampe an. Marcus hob seine hastig vom Boden auf und untersuchte sie.
    »Verdammt, sie ist kaputt.«
    »Kein Problem,

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